taz Berlin lokal Nr. 6333 vom 29.12.2000, Seite 16 Senator gegen Bleiberecht Werthebach setzt Beschluss des Abgeordnetenhauses nicht um, der hundert Flüchtlingen ein Bleiberecht brächte. Begründung: Der Innenminister sei nicht einverstanden. Doch dieser dementiert von MARINA MAI Innensenator Eckart Werthebach (CDU) weigert sich, einen Beschluss des Abgeordnetenhauses umzusetzen. Im Mai hatte das Landesparlament gefordert, jungen Flüchtlingen ein Bleiberecht zu geben, die Anfang der 90er-Jahre ohne ihre Eltern als minderjährige Asylbewerber eingereist waren. In Berlin warten gut 100 junge Menschen zwischen 20 und 25 Jahren auf dieses Bleiberecht. Werthebachs Begründung: Nach der Innenministerkonferenz (IMK) vom 24. November habe Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) sich "rechtlich gehindert" gesehen, "sein Einverständnis zur Anwendung einer solchen Regelung zu erklären". Das teilte Werthebach dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses Reinhard Führer (CDU) jüngst in einem Brief mit. Eine solche Äußerung Schilys dementierte gestern aber seine Sprecherin Eva Schmierer: "Aus unserem Haus ist nach dem 24. November kein Schreiben an die Berliner Landesregierung in dieser Sache herausgegangen." Hingegen habe die zuständige Staatssekretärin dem Senat bereits im Juli erklärt, Berlin habe es in der Hand, die Regelung umzusetzen. Schmierer: "Das haben wir nicht zurückgenommen." Rechtsanwalt Andreas Günzler, der 13 Betroffene aus Angola und Äthiopien vertritt, reagiert verärgert: "Meine Mandanten haben in der Regel einen deutschen Schulabschluss, oft auch eine abgeschlossene Berufsausbildung. Zwei könnten sofort ein Studium der Kommunikationselektronik aufnehmen, wenn der Aufenthaltsstatus gesichert wäre." In ihren Herkunftsländern haben die jungen Leute im Krieg alle Familienangehörigen verloren. Sie sind vor acht bis elf Jahren allein nach Deutschland geflohen. Bei vielen ist das Asylverfahren bis heute nicht abgeschlossen. Andere können wegen der Menschenrechtssituation oder Kriegen nicht zurückkehren. Laut Beschluss des Abgeordnetenhauses, der mit den Stimmen von SPD, PDS und Bündnisgrünen gefasst wurde, sollten auch diejenigen abgelehnten Asylbewerber in die so genannte Altfallregelung einbezogen werden, die zwischen Anfang 1990 und Mitte 1993 als Minderjährige ohne ihre Eltern eingereist sind. Bislang gilt: Wer als Kind gemeinsam mit den Eltern eingereist war, bekommt ein humanitäres Bleiberecht, falls er vor Mitte 1993 eingereist ist. Kinder, die ohne Eltern gekommen sind, sollen dieses jedoch nur bekommen, falls sie vor Anfang 1990 in die Bundesrepublik gekommen sind. "Darin sahen wir eine Ungleichbehandlung", sagt der grüne Abgeordnete Hartwig Berger, der den Beschluss initiiert hatte. Die Innenveraltung setzte den Beschluss wegen rechtlicher Bedenken nicht um, brachte das Thema aber im November auf die IMK. Dort fand der Antrag wie erwartet nicht die erforderliche Einstimmigkeit. Damit, so Innensenatssprecherin Isabelle Kalbitzer, könne ihre Verwaltung den Beschluss nicht umsetzen, zumal Schily nach der Konferenz sein Einverständnis verwehrt hätte. Doch dessen Sprecherin ist sich sicher: Auf diese Zustimmung kommt es nicht an.
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