junge Welt, 28.12.2000 Friedenspreis für General a.D. Heinz Loquai deckte NATO-Kriegsanlaß als Lüge auf und verlor daraufhin seinen Job bei der OSZE Es gibt noch Auszeichnungen, an denen hängt kein Geld. Dennoch stellen sie diverse Dienst-nach-Vorschrift-Orden und Ehrenzeichen vom Friedensnobelpreis über das Bundesverdienstkreuz bis zum Blödel-Rittertum »wider den tierischen Ernst« locker in den Schatten. Dazu zählt zweifellos die Clara-Immerwahr-Auszeichnung der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges - Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW), die jetzt dem ehemaligen Brigadegeneral der Bundeswehr Heinz Loquai zuerkannt wurde. Der pensionierte Offizier war vormals bei der OSZE- Mission in Wien zuständig für den Balkan. In dieser Funktion habe er, wie die deutsche IPPNW-Sektion am Mittwoch bekanntgab, in einer Studie belegt, daß der erste Kampfeinsatz der Bundeswehr »auf der Grundlage unzutreffender Informationen entschieden wurde.« Damit, so IPPNW, habe der Ex-General der Öffentlichkeit eine verständliche Informationsgrundlage für die kritische Auseinandersetzung über den Jugoslawien-Krieg vorgelegt. In der weiteren Begründung für die Ehrung schreibt das Auswahlkomitee, durch Loquais Studie sei offenbar geworden, daß durch die Politiker »die Möglichkeiten zur friedlichen Konfliktlösung« im Kosovo »nicht konsequent wahrgenommen« wurden. Der Beschluß, die Bundeswehr am Krieg gegen Jugoslawien zu beteiligen, wurde zwar von »einer überwältigenden Parlamentsmehrheit getragen« und »von der Öffentlichkeit weitgehend gestützt.« Diese Legitimation sei jedoch »mit irreführenden Informationan herbeigeführt« worden. Loquais Studie »stütze sich auf detaillierte Berichte und Informationen, wie sie der Regierung selbst vorgelegen haben«, so IPPNW. Besonders der sogenannte Hufeisenplan, den die Bundesregierung Anfang April 1999 als drastisches Beispiel für die angeblich verbrecherische Politik der Serben ins Spiel gebracht hatte, sei ein »eklatantes Beispiel für die Politik der Fehlinformation«. Angeblich habe es sich dabei um einen Plan der serbischen Führung zur ethnischen Säuberung des Kosovo gehandelt. Loquai wies nach, daß es für die Existenz eines solchen Operationsplans »keine Beweise« gibt. Besonders die als oberste Kriegstreiber auftretenden Minister Rudolf Scharping (SPD) und Joseph Fischer (Bündnis90/Grüne) hatten diese gefakten Informationen für die moralische Legitimation des ersten Kriegseinsatzes Deutschlands nach 1945 bemüht. Für Loquai blieb eine solche detaillierte Darstellung der Lügen-Praktiken der NATO-Staaten (man denke nur an den unsäglichen Sprecher des Kriegsbündnisses Jamie Shea, der die Weltöffentlichkeit täglich mit einem Gemisch aus Fakten, Lügen und Halbwahrheiten traktierte) nicht ohne Konsequenz: Er mußte seine Tätigkeit bei der OSZE beenden, weil das Bundesverteidigungsministerium gegen eine routinemäßige Verlängerung seines Vertrages intervenierte. Kurz zuvor war Loquais Buch erschienen. IPPNW bemerkt dazu, daß »die Art und Weise, wie sachliche Kritik an der deutschen Regierungspolitik von den Ministern Joseph Fischer und Rudolf Scharping bisher diffamiert wurde (>bösartig, böswillig, naiv<), läßt den Schluß zu, daß die Regierung die gebotene öffentliche Diskussion zu unterdrücken versucht«. Der Name der Auszeichnung, die dem Exgeneral am 24. Märzb 2001 in Berlin überreicht wird, erinnert an die Chemikerin Clara Immerwahr (1870-1915). Diese hatte sich als Ehefrau des Wissenschaftlers Fritz Haber entschieden gegen die Entwicklung und Anwendung von Giftgas verwahrt, die auch ihr Mann vorantrieb. Sie nannte das damals eine »Perversion der Wissenschaft«. Dieter Schubert
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