Der Landbote (CH), 28.12.2000 Zuerich OBERGERICHT: URTEIL GEGEN SCHIESSWÜTIGEN TÜRKEN 15 Jahre Zuchthaus für «Grauen Wolf» Ein bewaffnetes Mitglied der rechtsgerichteten türkischen Organisation «Graue Wölfe» hat nicht nur auf politische Gegner geschossen. Er durchsiebte andernorts einen Landsmann mit 13 Patronen. Nun muss er wegen vorsätzlicher Tötung und zahlreicher Nebendelikte für lange Zeit hinter Gitter. ATTILA SZENOGRADY Die Haupttat spielte sich vor dem Zürcher Restaurant «Airgate» in Oerlikon ab. Der 39-jährige Angeklagte war in dieser Gaststätte für mehrere Monate als Kellner angestellt. Am 29. Februar 1996 suchte er das Lokal als Gast auf. Dort traf er sich mit mehreren türkischen Landsleuten, um Karten zu spielten. Tatmotiv noch immer unklar Kurz nach Mitternacht begab sich die Gruppe auf die Strasse, wo es zwischen dem bewaffneten Beschuldigten und dem 57-jährigen Besitzer des Oerliker Cafés «Insider» zu einem heftigen verbalen Streit kam. Der eigentliche Grund für die fatale Auseinandersetzung ist bis heute unklar geblieben. Fest steht, dass der in seiner Familienehre beleidigte Angeklagte plötzlich zu seiner geladenen Pistole griff und das Feuer auf seinen Gegner eröffnete. Laut Anklage wurde das chancenlose Opfer auf offener Strasse von 13 Projektilen getroffen, die zu insgesamt 31 Schussverletzungen führten. Jede Hilfe kam für den Geschädigten zu spät. Der Angeklagte setzte sich darauf für einige Monate in seine Heimat ab, kehrte aber Anfang August 1996 freiwillig in die Schweiz zurück, wo er sich am Flughafen Kloten der Kantonspolizei Zürich stellte. Auf politische Gegner geschossen An der Prozesseröffnung vom vergangenen 8. Dezember musste sich der in der Sache weit gehend geständige Angeschuldigte neben der Hinrichtung (vorsätzliche Tötung) für diverse weitere Delikte verantworten. So berichtet die Anklageschrift, wie der Schütze nur wenige Monate vor dem Vorfall beim «Airgate»-Lokal auf dem Areal vor dem Zürcher Albisgüetli als Pistolenschütze in Erscheinung getreten war. Es war am Nachmittag des 18. Novembers 1995 gewesen, als mehrere Mitglieder der türkischen Rechts-Organisation «Graue Wölfe» - darunter auch der Angeklagte - das Feuer auf gegnerische Demonstranten der kurdischen Arbeiterpartei PKK eröffneten. Vier getroffene Kurden trugen dabei teilweise erhebliche Verletzungen davon. Dem Angeklagten brachte diese Schiesserei die zusätzlichen Vorwürfe der mehrfachen Lebensgefährdung, des Landfriedensbruchs sowie des Raufhandels ein. Die Verstrickung des Schützen in ein Heroingeschäft rundeten die Anklage mit Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie Nötigung ab. 15 Jahre Zuchthaus Wie am Mittwoch bekannt wurde, ist das Zürcher Obergericht grösstenteils der Staatsanwaltschaft gefolgt. So übernahm es auch das Strafmass von 15 Jahren Zuchthaus. Als Hauptvorwurf gilt laut Urteil die vorsätzliche Tötung. Der Angeklagte, der seit 1990 in der Schweiz lebte, wurde zusätzlich für 15 Jahre unbedingt des Landes verwiesen. Den Hinterbliebenen des Opfers soll der Verurteilte ein Schmerzensgeld von insgesamt 95 000 Franken entrichten. Die erheblich milderen Anträge der Verteidigung, die einen Ausnahmezustand des Schützen geltend gemacht hatte, stiessen beim Obergericht auf keine Zustimmung.
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