PKK-Chef Öcalan droht der Prozeß in Italien
Nur eine Ausreise kann den Kurdenführer vor einem Gerichtsverfahren
retten
Rom - Zuletzt ist es seltsam still geworden um den Mann mit den markigen
Worten: Abdullah Öcalan, Chef der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei
PKK, der im vergangenenen November in Rom strandete.
VON JUTTA LAUTERBACH
Ministerpräsident Massimo D’Alema spricht aus, was manchen Italiener
erschauern läßt. Sollte der 49jährige Italien nicht in
Kürze verlassen, riskiere er, dort vor Gericht gestellt und verurteilt
zu werden.
Ein deutscher Diplomat äußerte sich am Donnerstag ¸¸vorsichtig
optimistisch’’, daß ein solcher Prozeß zustande kommt. ¸¸Rechtlich
ist Italien verpflichtet, etwas zu tun’’, meint der Experte. ¸¸Auch
wenn es niemand laut sagt, weil alle anderen ein schlechtes Gewissen haben.’’
Deutschland hatte trotz Haftbefehls wegen Mordes auf einen Auslieferungsantrag
verzichtet.
Nach dem Stand der Dinge will kein europäisches Land die ¸¸heiße
Kartoffel’’ Öcalan haben. ¸¸Alle Versuche sind ausgeschöpft’’,
verlautet aus dem Umkreis des Kurden-Führers. Zuletzt ging es um Österreich,
Litauen und Estland. Andere Staaten seien ins Gespräch gebracht, von
Öcalan jedoch abgelehnt worden. Der ¸¸Staatsfeind Nummer
eins’’ für die Türkei fürchtet Anschläge. Auch will
er auf keinen Fall an Ankara überstellt werden, wo ihm die Todesstrafe
droht.
Grundlage eines Verfahrens gegen Öcalan in Italien könnten
die 1977 unterzeichnete Anti-Terror-Konvention des Europarates und der
Artikel 10 des italienischen Strafgesetzbuches sein. Nach der Konvention
verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten, Terroristen entweder auszuliefern
oder im eigenen Lande vor Gericht zu stellen.
Terrorakte könnten nicht als ¸¸politische oder politisch
motivierte Straftaten’’ anerkannt werden.
Nach den Bestimmungen des italienischen Strafgesetzbuches können
Ausländer für im Ausland begangene Taten in Italien belangt werden,
wenn eine Auslieferung nicht zustande kommt, sagt ein Rechtsexperte in
Rom. ¸¸Die Drohung D’Alemas zeigt, daß Italien das Problem
rasch lösen möchte.’’ Bei einem Verfahren in Italien wäre
der nächste Schritt die Anklageerhebung.
¸¸Der Staatsanwalt könnte sich auch auf ein oder zwei
gut beweisbare Delikte beschränken’’, meint ein Rechtsexperte.
¸¸In Drittstaaten begangene Verbrechen sind schwerer nachzuweisen.’’
Eine Anklageerhebung sei noch 1999 nicht auszuschließen.
Die Türkei wirft Öcalan vor, für 30 000 Tote in 15 Jahren
Terrorismus gegen Ankara verantwortlich zu sein. Und Schweden ermittelt
wegen des noch immer unaufgeklärten Mordes an Ministerpräsident
Olof Palme im Jahr 1986. Fankreichs Fahnder haben die PKK wegen des
Eintreibens von Schutzgeldern zur Finanzierung der Organisation im Visier.