Hickhack um Kurden-Kundgebung hört nicht auf
Polizeipräsident wünscht Versachlichung der Debatte -
Haas: Keine Amtsanmaßung - OB Schuster bekräftigt Vorwürfe
Der Streit um die Kurden-Demonstration in Stammheim am vergangenen Mittwoch geht weiter. Polizeipräsident Volker Haas wies in einer persönlichen Erklärung Vorwürfe des Oberbürgermeisters zurück, er habe diesen zum Rechtsbruch aufgefordert.
Von Eberhard Renz
Zur Erinnerung: Am Dreikönigstag veranstalteten 2500 Kurden eine
Trauerfeier vor dem Stammheimer Gefängnis. Dort hatte sich im
November 1998 ihr Landsmann Barzan Öztürk selbst angezündet,
am Montag war er in einer Koblenzer Klinik gestorben. Die Kurden wollten
Öztürks Sarg zu der Trauerfeier nach Stuttgart überführen.
Laut Polizeipräsident Haas steht in der städtischen Verfügung
zur Kundgebung, daß die ¸¸Durchführung der Maßnahme
in das polizeitaktische Ermessen der LPD Stuttgart II gestellt’’ werde.
¸¸Die Stadt selbst war also der Auffassung, daß durch
die Gestattung des Mitführens des Sarges bei der Veranstaltung kein
Rechtsbruch begangen wird, wenn die taktische Lage eine solche Zustimmung
erfordert.’’
¸¸Davon kann keine Rede sein’’, widersprach Oberbürgermeister
Wolfgang Schuster gestern. Das Ordnungsamt habe eine ¸¸Solidaritäts-Trauerkundgebung’’
genehmigt, bei der, wie der Veranstalter angab, 500 bis 1000 Kurden, und
zwar aus Stuttgart und Umgebung, des toten Öztürk gedenken wollten.
¸¸Wir wollten nie die Zurschaustellung des Sarges genehmigen
und haben sie nie genehmigt’’, betont Schuster. ¸¸Als sich
am Morgen des 6.Januar abzeichnete, daß der Sarg nach Stuttgart gebracht
werden sollte, wurde der Bescheid durch das Verbot, den Sarg bei dieser
Kundgebung mitzuführen, ergänzt’’, sagt Alfons Nastold vom Amt
für öffentliche Ordnung.
Volker Haas bestätigt, daß Öztürk PKK-Aktivist
gewesen sei. Dieser habe aber nicht Selbstmord begangen, um die PKK zu
unterstützen, sondern - wie aus seinem Abschiedsbrief hervorgehe -
im wesentlichen aus Verzweiflung über seine Abschiebung.
Das Stuttgarter Ordnungsamt habe die von einem ¸¸Mesopotamischen
Kulturverein’’ angemeldete Veranstaltung genehmigt. Falls nachweisbar eine
PKK-Veranstaltung geplant gewesen wäre, so hätte die Stadt die
Kundgebung verbieten müssen und tatsächlich verboten. Haas sagte,
daß unter 2500 Kurden immer auch PKK-Anhänger seien. Dies bedeute
aber nicht, daß es sich um eine PKK-Veranstaltung handelt. Bei der
Demo am Dreikönigstag seien rund 20 PKK-Fahnen gezeigt worden. Die
Fahnenschwenker wurden gefilmt, Strafanzeigen würden folgen.
Während der Veranstaltung hätten die Teilnehmer beschlossen,
bis zum Eintreffen des Sarges auszuharren, sagt Haas. Er selbst sei vor
der Aufgabe gestanden zu überlegen, wie 2500 Menschen - darunter auch
Frauen und Kinder - angemessen aus Stammheim herausgeschafft werden können.
Haas: ¸¸Es mußte eine Lösung gefunden werden, die
eine gewisse Akzeptanz bei den Versammlungsteilnehmern finden konnte.’’
Der Polizeipräsident widerspricht energisch dem Vorwurf, die Polizei
sei vor dem Druck der Veranstaltungsteilnehmer zurückgewichen: ¸¸Wir
haben Verständnis für die Auffassung der Teilnehmer aufbringen
müssen, daß eine von der Stadt Koblenz erteilte und vom Oberbürgermeister
jener Stadt bestätigte Genehmigung auch in Stuttgart gelten sollte.’’
Daher sei nach Auswegen aus der ¸¸scheinbar unvermeidlichen
Konfrontation’’ gesucht worden.
Dagegen sagt OB Schuster: ¸¸Dr. Haas hat zum Zeitpunkt
meiner Entscheidung ausdrücklich die Gefahr einer unkontrollierbaren
Eskalation verneint und mir bestätigt, daß die Polizei die Sicherheitslage
im Griff habe. Um so gravierender stellt sich die Aufforderung zum Rechtsbruch
durch den Polizeipräsidenten dar.’’
Haas betont wiederum, daß er Überlegungen des
Oberbürgermeisters oder der Vertreter des Innenministeriums nicht
kritisiert habe. ¸¸Es gibt zwar eine selbstverständliche
Pflicht des Beamten, Entscheidungen, die er für falsch hält gleichwohl
loyal zu vollziehen. Es gibt aber keine Verpflichtung, nach und beim Vollzug
die eigene Meinung zu ändern und die eigenen Motive und Überlegungen
zu vergessen.’’
Den Vorwurf der Amtsanmaßung kommentiert Haas wie folgt:
¸¸Das Innenministerium war in jeder Phase des Veranstaltungsablaufs
eingebunden, so daß von Selbstherrlichkeit oder Amtsanmaßung
keine Rede sein kann. Es wäre zu begrüßen, wenn die
Debatte versachlicht würde.’’
Die ¸¸Republikaner’’ haben inzwischen den Rücktritt
von Haas wegen Unfähigkeit gefordert. ¸¸Einer kommunistischen
Terrororganisation wie der PKK kann man nicht mit Toleranz begegnen. Deeskalation
durch Nachgiebigkeit wird nur als Schwäche ausgelegt.’’