Türkei gibt leise zu: Wir wollen Öcalan nicht
Rom- Die Türkei will nach einem Bericht der italienischen Zeitung
„La Repubblica“ den in Rom festgesetzten kurdischen Separatistenführer
Abdullah Öcalan nicht mehr haben. „Es wäre zu gefährlich,
ihn auf unserem Territorium zu haben“, zitierte die Zeitung einen Gewährsmann
des türkischen Außenministeriums. Formal, so die Quelle weiter,
gebe es aber keine solche Entscheidung, auch werde dies Rom niemals in
dieser Form mitgeteilt. Ankara hat offiziell einen Auslieferungsantrag
gestellt.
„Es wäre besser, wenn Öcalan verbannt oder sich zurückziehen
würde, vielleicht nach Nordkorea“, heißt es. Auch ein türkischer
Militärchef wird zitiert: „Wir haben gar nicht soviel Lust, Öcalan
hier zu haben.“ Denn in der Türkei würde der 49jährige entweder
hingerichtet, was zu weltweiten Protesten, „einem Desaster“, führen
könnte. „Oder wir inhaftieren ihn und machen ihn so zu einem lebenden
Märtyrer.“
Der Chef der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK war am 12. November
auf dem Flughafen in Rom festgenommen worden. Er steht in einem Haus in
Ostia unter Bewachung. Öcalan verlangt für eine einvernehmliche
Abschiebung Garantien zu seiner Sicherheit. Er fürchtet Anschläge
und will auf keinen Fall an Ankara ausgeliefert werden, wo ihm die Todesstrafe
droht. Die Türkei macht ihn verantwortlich für 30 000 Tote in
15 Jahren Terrorismus gegen Ankara. Deutschland hat trotz Haftbefehls wegen
Mordes aus Sicherheitsbedenken auf eine Überstellung verzichtet.
Unterdessen herrscht Unklarheit darüber, ob dem Kurdenführer
in Italien der Prozeß gemacht werden kann. „Wahrscheinlich ja, aber
er würde sich lange hinziehen und wäre schwierig“, meint der
italienische Anwalt Öcalans, Giuliano Pisapia. Auch seien die
Anklagepunkte „fragil“. Dagegen sind andere Juristen der Auffassung, daß
ein Verfahren gegen Öcalan in Italien rechtlich nicht möglich
ist. Die europäische Anti-Terrorismus-Konvention treffe in diesem
Fall nicht zu, erklärte die Anwältin des PKK-Führers, Britta
Böhler, in Amsterdam. Was die Türkei Öcalan vorwerfe, falle
nicht unter terroristische Akte, wie sie in der Konvention beschrieben
seien. Vielmehr gehe es bei dem Konflikt zwischen Kurden und der Türkei
um einen „internen bewaffneten Konflikt“ im Sinne der Genfer Konvention
von 1949. Auch sei das erste Protokoll dieser Konvention von 1977 anwendbar,
weil es hier um den Kampf eines Volkes um Selbstbestimmung gehe.
(dpa)