»So, Jungs, jetzt noch mal durch!«
Senat schweigt zu Polizeiprügel
gegen Demonstranten in Berlin
Provozierende und prügelnde Polizisten
bei der Liebknecht- Luxemburg-Demonstration am Sonntag in der Haupstadt
-
das sollte am gestrigen Montag im Innenausschuß
des Berliner Abgeordnetenhauses behandelt werden. Der CDU gelang
es jedoch, die Debatte um die Vorgänge
mit Geschäftsordnungstricks zu verhindern, berichtete das Ausschußmitglied
Freke Over (PDS) gegenüber junge
Welt. Erst in 14 Tagen, zur nächsten Sitzung des Ausschusses, werde
das Thema
wieder zur Sprache kommen.
Over selbst war Augenzeuge der polizeilichen
Gewaltaktionen. In einer Presseerklärung berichtete er: »Bei
einem von mir
selbst beobachteten Vorfall, Höhe
U-Bahnhof Magdalenenstraße, rief ein Gruppenführer: >So, Jungs,
jetzt noch mal
durch!<, worauf sich etwa zehn Beamte
durch die Demonstration prügelten.« Nur die Besonnenheit vieler
Demonstrantinnen und Demonstranten habe
eine weitere Eskalation verhindert.
Paul Schnittker, Mitglied der DKP Ruhr-Westfalen
und verantwortlich für die Busse aus der Region, mit denen die
Demonstranten von auswärts anreisten,
berichtete junge Welt, daß sich ein hartes Vorgehen gegen die erklärtermaßen
friedliche Demonstration bereits bei
der Ankunft angedeutet hätte. Anders als in den Jahren zuvor habe
es hier die ersten
Personalkontrollen und Leibesvisitationen
gegeben. »Bei der Aufstellung auf dem früheren Leninplatz kam
es dann zu den
ersten massiven Eingriffen der Polizei.«
Besonders ausländische Gruppen seien
das Ziel der Provokationen gewesen, die Beamten hätten wahllos Menschen
aus
der Menge gezogen, ohne jegliche Begründung.
Während der Kundgebung war der Block der Autonomen das
Angriffsziel der Polizisten, die Einsatzkräfte
sind zum Teil sehr brutal in die Menge gestürmt, in voller Montur
mit
Schlagstock und Brustpanzern. Angeblich
hätten einige Teilnehmer gegen das Vermummungsverbot verstoßen,
so die
Begründung für den Knüppeleinsatz.
Als auffallend bezeichnete Schnittker, daß sich die Beamten später
zurückgehalten
haben, vom Petersburger Platz bis zur
Gudrunstraße ließen sie die Menschen friedlich ziehen. Dort
allerdings legten die
Polizisten wieder los und nahmen sich
unter anderem den DKP-Block vor, schlugen wahllos auf die Demonstranten
ein und
beschlagnahmten eine DKP-Fahne. Rücksicht
auf ältere Menschen und Kinder wurde nicht genommen.
Die Gudrunstraße ist bei der Polizei
für solche Einsätze beliebt. Auch im letzten Jahr griffen Einheiten
an der engsten
Stelle der Straße immer wieder
in die Demonstration ein. Eine angeblich offen gezeigte PKK-Fahne wurde
damals zum
Anlaß genommen. Berlins neuer
Innensenator Eckart Werthebach hatte bereits einige Tage zuvor angekündigt,
gegen das
Zeigen von »Symbolen verfassungsfeindlicher
Organisationen« und »Verstößen gegen das Vermummungsverbot«
konsequent einzuschreiten. Konkret nannte
er in diesem Zusammenhang Bilder und Fahnen mit dem Konterfei des
PKK-Vorsitzenden Öcalan.
Weder Vertreter der Polizei noch des
Innensenats waren am Montag gegenüber jW zu einer Stellungnahme zu
den von
vielen Augenzeugen und Opfern der Polizeiangriffe
geschilderten Übergriffen bereit.
Michael Friedrich/Foto: Marko Priske