Nordrhein-Westfalen: Abschiebungen
ausgesetzt
Proteste bewirkten vorläufiges
Bleiben bedrohter Kurden
Die Proteste gegen die repressive Abschiebepolitik
in Nordrhein-Westfalen spitzen sich unmittelbar vor den geplanten
Abschiebungen der kurdischen politischen
Flüchtlinge Hasan Ay und Mustafa Tayfun massiv zu. Die beiden Kurden
sollen nach Plänen der Ausländerbehörde
Meschede und des nordrhein-westfälischen Innenministeriums am heutigen
Dienstag abgeschoben werden. Nachdem
am Sonnabend von Abschiebegegnern das Büro der staatlichen türkischen
Fluglinie besetzt wurde, fanden am Montag
zwei weitere spektakuläre Protestaktionen statt. Bei einer Demonstration
kirchlicher Bediensteter vor dem Innenministerium
in Düsseldorf konnte ein Gespräch mit dem leitenden Ministerialrat
des Landesinnenministers, Christoph
Sander, erwirkt werden. »Wir fanden dort eiserne Fronten vor«,
kommentierte
danach Dorothee Schaper, Pfarrerin in
Köln, im Telefonat mit junge Welt das Treffen.
Schaper und ein weiterer Kirchenvertreter
teilten mit, daß seitens des Innenministeriums »keine Intervention
in der Sache
zu erwarten ist«. Mit den Worten
»Die Rechtsordnung ist so, wie sie ist« hätten sich die
Ministerialbeamten vehement auf
das negative Urteil des zuständigen
Verwaltungsgerichtes berufen. Nach Einschätzung von Schaper werde
eine Belastung
der rot-grünen Koalition bewußt
in Kauf genommen.
Parallel zu der Aktion vor dem Innenministerium
besetzten rund 150 kurdische Asylbewerber und Abschiebegegner die
Landesgeschäftsstelle der Grünen
in Düsseldorf. Am Montag morgen betonte der Abschiebegegner und Pfarrer
Hanno
May, daß ursprünglich eine
Besetzung der SPD-Zentrale geplant gewesen sei, jedoch »wäre
die mit Sicherheit polizeilich
geräumt und die Beteiligten festgenommen«
worden. »In Anbetracht der Teilnahme mehrerer >Illegaler<«,
sagte May,
»wäre eine solche Aktion
zu riskant gewesen.«
Auf jW-Anfrage zeigte die Sprecherin
der Landesgeschäftsstelle der Grünen, Daniela Milotin, Verständnis
für die zeitlich
unbegrenzte Aktion. »Wir unterstützen
das Wanderkirchenasyl grundsätzlich und werden auch unsere generelle
Ablehnung der Abschiebepolitik beibehalten«,
sagte Milotin. So werde die Initiative »Kein Mensch ist illegal«
seit ihrer
Gründung vor einem Jahr von der
Partei unterstützt. Allerdings müsse, so Milotin, Verständnis
dafür gezeigt werden,
wenn diese Position in der rot-grünen
Koalition nicht voll durchgesetzt werden könne. Am Nachmittag stellte
sich die
Sprecherin des Landesvorstandes der
Grünen, Barbara Steffens, den Demonstranten. »Es ist ganz klar,
daß wir die
Aktion uneingeschränkt unterstützen
und auf eine Aussetzung der geplanten Abschiebungen bestehen«, kommentierte
sie
die Proteste.
Wie jW in Erfahrung bringen konnte, wurden
unter dem Druck der Proteste sowohl im Landesinnenministerium als auch
beim Landrat Eilsitzungen einberufen.
Landesinnenminister Behrens gab am späten Nachmittag bekannt, die
Abschiebung
aufzuschieben, bis ein befriedigendes
Ergebnis im Dialog zwischen Land und Abschiebegegnern gefunden sei.
Harald Neuber
© junge Welt