Alarmstufe eins im vierten Stock des Polizeipräsidiums
Unter Beschuß geratener Polizeichef Haas rechtfertigt sich mit zweiter Erklärung - OB Schuster kontert erneut Der Streit um einen verbotenen kurdischen Trauerkonvoi für einen toten PKK-Aktivisten spitzt sich weiter zu. Das öffentlich ausgetragene Erklärungsduell zwischen Stuttgarts Polizeipräsident Volker Haas, der um sein Amt bangen muß, und OB Wolfgang Schuster ging auch am Wochenende weiter.
VON WOLF-DIETER OBST
Die Lage ist ernst. Deshalb herrschte auch am Samstag im vierten Stock
des Polizeipräsidiums auf dem Pragsattel eine Stimmung wie bei Alarmstufe
eins. Dort, wo der Polizeipräsident und die Pressestelle ihre Diensträume
haben, verfaßte Haas eine zweite, eine persönliche Erklärung.
Daß er bei der ersten Verlautbarung OB Schuster indirekt mangelnde
Toleranz und Respekt vorwarf, nachdem er sich am Dreikönigstag vergebens
dafür eingesetzt hatte, das Verbot einer kurdischen Demonstration
mit dem Leichnam eines PKK-Aktivisten vor dem Stammheimer Gefängnis
aufzuheben - das könnte seinen Kopf kosten.
In seiner neuen Erklärung weist der Polizeipräsident den
Vorwurf Schusters zurück, den OB zu einem rechtswidrigen Verhalten
aufgefordert zu haben. Vielmehr habe die Stadt selbst in ihrer Verfügung
¸¸die Durchführung der Maßnahme in das polizeitaktische
Ermessen gestellt’’. Somit wäre auch die Erlaubnis, den Sarg des Kurden
nach Stuttgart zu bringen, kein Rechtsbruch gewesen, ¸¸wenn
die taktische Lage eine solche Zustimmung erfordert’’.
Der Versuch, so Haas, angesichts 2500 Kurden nach ¸¸Auswegen
aus der scheinbar unvermeidlichen Konfrontation’’ zu suchen, sei nicht
¸¸Selbstherrlichkeit oder Amtsanmaßung’’. Immerhin
sei das Innenministerium ¸¸in jeder Phase eingebunden’’ gewesen,
habe letztlich auch die Ersatzveranstaltung am Frankfurter Flughafen mit
dem Innenministerium Hessen organisiert.
Er sehe es, erklärt Haas weiter, als Beamter für selbstverständlich
an, ¸¸Entscheidungen, die er für falsch hält, gleichwohl
loyal zu vollziehen’’. Es gebe aber keine Verpflichtung, ¸¸die
eigene Meinung zu ändern’’.
Am Sonntag konterte OB Schuster, der die Haas-Erklärung allerdings
nicht direkt erhalten hatte, ebenfalls mit einer Pressemitteilung. Schuster
bleibt bei seinem Vorwurf, zum Rechtsbruch aufgefordert worden zu sein.
Er betont dabei, Haas habe bei dem Telefongespräch während der
Demonstration ¸¸ausdrücklich die Gefahr einer unkontrollierbaren
Eskalation verneint und mir bestätigt, daß die Polizei die Sicherheitslage
im Griff habe’’. Allerdings scheint die Polizei mit 500 Beamten offenkundig
unterbesetzt gewesen zu sein. Zumindest, wenn die Demonstranten per Sitzstreik
das Eintreffen des Sarges hätten erzwingen wollen. ¸¸Wie
hätten 2500 Menschen, auch Frauen und Kinder, in angemessener Zeit
und mit angemessenen Mitteln aus Stammheim herausgeschafft werden sollen?’’
fragt Haas.
Ob sein Kurden-Einsatz Folgen haben wird, ließ das Innenministerium
offen. Unter anderem dürfte es um einen Verstoß gegen das Mäßigungsgebot
gehen - und da hat Haas seit November 1996 wegen seiner drogenpolitischen
Äußerungen im OB-Wahlkampf noch eine ¸¸Bewährungsstrafe’’
offen.