Neues Kabinett in Türkei
Premier Ecevit ist ein Kritiker der EU Minderheitsregierung bis
zum April
Ankara - Der türkische Staatspräsident Süleyman Demirel
hat am Montag den 73jährigen Sozialdemokraten Bülent Ecevit zum
Premierminister ernannt und die von ihm vorgelegte Kabinettsliste gebilligt.
Ecevit tritt damit die Nachfolge des Ende November durch ein Mißtrauensvotum
gestürzten konservativen Premiers Mesut Yilmaz an. In der von Yilmaz
geführten Regierung amtierte Ecevit als Vize- Premier.
Die jetzt gebildete Minderheitsregierung von Ecevits Demokratischer
Linkspartei (DSP) soll das Land bis zu den Neuwahlen führen, die für
den 18. April angesetzt sind. Die beiden großen konservativen Parteien,
die von Yilmaz geführte Mutterlandspartei (Anap) und die Partei des
Wahren Weges (DYP) der früheren Ministerpräsidentin Tansu Ciller,
haben Ecevit ihre Unterstützung zugesagt. Er wird sich damit im Parlament
auf 295 der 450 Abgeordneten stützen können. Seine Regierungserklärung
will Ecevit bereits an diesem Dienstag abgeben. Die Vertrauensabstimmung
im Parlament ist für den Sonntag geplant.
Ecevit verkleinerte das Kabinett erheblich. Die Zahl der Staatsminister
wurde von zwanzig auf sieben reduziert. Zwei Schlüsselposten, die
bereits in der scheidenden Regierung von der DSP gehalten wurden, blieben
unverändert: Außenminister Ismail Cem und Finanzminister Zekeriya
Temizel behielten ihre Ressorts.
Ecevit zeigte sich entschlossen, den politischen Kurs seines Vorgängers
im wesentlichen fortzuführen. Insbesondere in der Haltung gegenüber
Griechenland wegen des Zypern-Konflikts werde es keine Änderungen
geben. Zugleich kündigte er an, den Kampf gegen die Organisierte Kriminalität
fortzuführen.
In den Beziehungen zur EU steht Ecevit voll hinter der allgemeinen
Auffassung in der Türkei, daß das Land „diskriminiert“ worden
sei. Die EU habe ihre Zusagen nicht eingehalten und mache die Erfüllung
der Kriterien wie Menschenrechte, Demokratie, Minderheitenschutz und wirtschaftliche
Wettbewerbsfähigkeit dafür schon zur Bedingung, daß die
Türkei als Kandidat akzeptiert werde. Von anderen Kandidaten aber
werde die Erfüllung dieser Kriterien als Bedingung für eine Aufnahme
verlangt, argumentiert Ecevit.
Mit Blick auf die Neuwahlen in der Türkei warnte Ecevit vor den
Gefahren des politischen Islam. Der beste Weg, den Aufstieg des Fundamentalismus
zu verhindern, sei eine verantwortungsvolle Stimmabgabe, sagte Ecevit.
Er sprach der islamistischen Tugend-Partei (FP) jegliche Fähigkeit
ab, sich dem Laizismus (Trennung von Staat und Religion) als einem der
wichtigsten Fundamente der Republik unterzuordnen. Die islamistische Tugend-Partei
(FP), eine Nachfolgeorganisation der verbotenen Wohlfahrtspartei (RP),
stellt die stärkste Fraktion im Parlament.
Im Kurden-Konflikt hat der türkische Premier bislang alle Konzessionen
abgelehnt. Die PKK als „separatistische Terrororganisation“ komme als eine
Partnerin für einen Dialog zur Beendigung des blutigen Konflikts mit
bislang weit mehr als 30.000 Toten nicht in Frage. (gh, dpa)