Kein leichter Abschied für Polizeichef Haas
Nachfolge weiterhin offen - Erste Anzeigen gegen Kurden
Wein und Sekt - aber natürlich auch alkoholfreie Getränke - hat es gestern bei der Verabschiedung von Polizeipräsident Volker Haas gegeben. Weiterhin offen ist die Frage nach seinem Nachfolger. Innenminister Schäuble äußerte sich dazu auch gestern nicht.
Von Eberhard Renz
Thomas Schäuble war Gast beim Neujahrsempfang der Gewerkschaft
der Polizei (GdP). Deren Landesvorsitzender Rüdiger May ließ
dem Innenminister mit seiner Begrüßungsrede denn auch keine
Chance, nicht über den ¸¸Fall Haas’’ zu reden. May, der
Polizeiführer mit Zivilcourage für unabdingbar hält, zeigte
deutlich die Gefahren für die Polizei auf, wenn ¸¸so etwas
Schule machen sollte’’. Für May wurde der Polizeiführer Volker
Haas mit seiner Versetzung ¸¸mundtot’’ gemacht. Doch Innenminister
Schäuble ließ sich nicht locken: er nannte den Nachfolger des
61jährigen Juristen gestern nicht.
Gerüchte, nach denen Baden-Württembergs Ministerpräsident
Erwin Teufel bei der Entscheidung seine Stimme in die Waagschale werfen
würde, wurden gestern im Staatsministerium weder bestätigt noch
dementiert. Kanzleisprecher Markus Bleistein sagte lediglich, daß
¸¸Personalfragen sicher nicht öffentlich’’ diskutiert
würden. Er wiederholte, daß es zwischen dem Innenminister und
dem Ministerpräsidenten aber auf jeden Fall einen informellen Austausch
geben werde.
Mittlerweile ist gegen den Versammlungsleiter der Kurdenkundgebung
in Stammheim am Dreikönigstag Anzeige erstattet worden. Weitere 30
bis 40 Strafanträge, so die Pressestelle der Polizei, seien in Bearbeitung.
Die Betroffenen werden wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetzes
angezeigt. Bei der Kundgebung in Stammheim wurden Fahnen der PKK geschwenkt,
Bilder von Kurdenführer Abdullah Öcalan gezeigt und verbotene
politische Parolen skandiert.
Volker Haas verabschiedete sich am Nachmittag von jedem der 350 Gäste
auf dem Empfang per Handschlag. Arbeiter, Angestellte und Beamte hatten
sich dort getroffen, um ihrem Präsidenten ¸¸Adieu’’ zu
sagen. Haas, der knapp zwölf Jahre im Amt war, bedankte sich für
die von Anfang an vertrauensvolle Zusammenarbeit. ¸¸Ich habe
an diesem Amt gehangen’’, sagte Haas. Er werde sich aber auch in seiner
neuen Aufgabe voll einbringen, versprach er.
Die Stuttgarter Jusos forderten derweil den sofortigen Rücktritt
von Oberbürgermeister Wolfgang Schuster und Innenminister Thomas Schäuble.
Absolut fragwürdig sei Schusters Vergleich mit dem Märtyrertum
des Nationalsozialismus. Schäuble habe sich dem Druck ¸¸von
rechts’’ gebeugt, indem er Haas entlassen habe. Dabei solle man aber nicht
vergessen, daß Haas Schäuble und Schuster schon lange ein Dorn
im Auge gewesen sei.
Einen Rückschritt im Verhältnis zur Stuttgarter Polizei befürchtet
die Initiativgruppe Homosexualität Stuttgart e.V.. Während
der Amtszeit von Volker Haas seien viele positive Veränderungen eingeleitet
worden, heißt es in einer Erklärung. Polizeipräsident
Haas habe sich um die Belange der Schwulen in Stuttgart verdient gemacht.
Der Arbeitskreis Asyl fürchtet nach der Strafversetzung von Haas
ein Abrücken von der liberalen Deeskalationslinie. ¸¸Wir
fragen, wie sollen junge Menschen zur Zivilcourage erzogen werden, wenn
sie erleben müssen, wie ein alter Haas(e) mit 61 Jahren versetzt wird,
als absolviere er gerade seine Probezeit’’, teilte AK Asyl-Sprecher Werner
Baumgarten mit.