F: PKK-Chef Abdullah Öcalan hat
am vergangenen Wochenende Italien verlassen. Wissen Sie, wo Ihr Mandat
zur Zeit
zu erreichen ist?
Nein, das kann ich nicht sagen. Und wenn
ich es wüßte, würde ich es auch vermutlich nicht sagen
können. Bevor nicht
völlig klar ist, daß er sicher
ist, muß man mit allem rechnen; insbesondere die Türkei wird
nicht vor irgendwelchen
geheimdienstlichen Aktionen zurückschrecken.
F: Es ist davon die Rede, Herr Öcalan
hätte sein Zufluchtsland Italien freiwillig verlassen. Kann man tatsächlich
von einer
freiwilligen Ausreise sprechen?
Ja. Ich war zuletzt vor zwei Wochen bei
ihm und habe zweimal ausführlich mit ihm, mit seinem römischen
Anwalt und
vielen anderen gesprochen. Daraus ergab
sich schon ein ziemlich klares Bild, daß er von italienischer Seite
erheblich
unter Druck gesetzt wird, hauptsächlich
mit dem Argument, er wäre ein freier Mann: Aber erstens bekomme er
kein
Asyl, zweitens werde er in einem Terroristenprozeß
wahrscheinlich vor Gericht gestellt, der mit einer hohen Strafe enden
könne. Deshalb wäre er doch,
drittens, gut beraten, wenn er mit Rom zusammen nach einer anderen Lösung
suche.
Öcalan hätte unabhängig
von der Frage des Asyls einen Aufenthaltsstatus als Flüchtling in
Italien bekommen müssen. Die
Gefahr eines Prozesses ist als äußerst
gering einzuschätzen. Das wäre eine politische Entscheidung auf
der Ebene des
Justiziministers gewesen. Der ist bekanntlich
ein Kommunist. Nur auf der Grundlage einer solchen Entscheidung hätte
der
Prozeß eröffnet werden können.
Und ein solches Verfahren wäre aufgrund der Vorwürfe aus der
Türkei, nicht etwa der
aus der BRD, eingeleitet worden. Also
können nur irgendwelche Vorwürfe aus der Türkei dazu herhalten,
die wir, seine
Anwälte, im einzelnen nicht kennen,
die aber in allen Verfahren gegen PKK-Mitglieder auf Angaben von dubiosen
Kronzeugen beruhen und in einer Weise
präsentiert werden, die rechtsstaatlichen Anforderungen nicht gerecht
werden.
Nicht umsonst ist die Türkei in
allen Verfahren bisher, die Kurden und PKK- Anhänger bisher in Strasbourg
anhängig
gemacht haben, bei der Europäischen
Kommission für Menschenrechte und beim Europäischen Gerichtshof,
verurteilt
worden. Das sind inzwischen über
100.
In einem Prozeß gegen Öcalan wären die Türkei und das Militär ganz schnell auf die Anklagebank gekommen.
F: Gerade vor diesem Hintergrund ist
die Ausreise doch sehr kritisch zu bewerten. Während in Italien spekuliert
wird,
Öcalan halte sich im belorussischen
Minsk auf, sprechen andere davon, das Ziel seiner Reise wäre Libyen.
Beides
Länder, von denen aus Öcalan
politisch und diplomatisch viel schwieriger wird agieren können, als
von Italien aus, wo
ihm eventuell ein Prozeß drohte.
Richtig. Nur im Moment ist ja außer
der Türkei von Korea bis Südafrika fast jedes Land in der Spekulation.
Der PKK-
Vorsitzende und die PKK-Führung
wollten keine Konfrontation mit Italien, sondern wollten die Möglichkeit
für einen
Dialog, für eine politische Lösung
mit Hilfe von Italien. Das Anliegen einer politischen Lösung ist offensichtlich
insbesondere aus den USA hintertrieben
worden. Die französische und die deutsche Regierung haben es wohl
auch nicht
gewollt oder nicht das Rückgrat
gehabt, Washington etwas entgegenzusetzen, so daß man sagen muß,
daß Europa hier
versagt hat.
Interview: Rüdiger Göbel