Die Türkei lehnt einen Umsturz im Irak ab
Ministerpräsident Ecevit verwahrt sich gegen US-Pläne, den Sturz Saddam Husseins von Ankara aus zu betreiben. Auch irakische Oppositionsgruppen sind trotz Finanzspritzen aus den USA zurückhalten
Aus Istanbul Jürgen Gottschlich
Der Name des Mannes führt leicht in die Irre: Frank Ricciardone
ist ein echter Yankee. Das Besondere an ihm ist nicht seine italienische
Abstammung, sondern seine intime Kenntnis des Nahen Ostens. Ricciardone
spricht arabisch und türkisch, sein Job führte ihn für längere
Zeit nach Kairo und Amman. Zur Zeit ist er der stellvertretende Chef der
US-Botschaft in Ankara.
Der Mann ist Spezialist für kritische Missionen. Als Ende
1996 die Operation der CIA im Nordirak aufflog, organisierte er die Rettung
von rund 1.500 Kurden, die für die CIA gearbeitet hatten. Aus
diesen Gründen hat sich US-Präsident Clinton dazu entschlossen,
Ricciardone jetzt eine heikle Mission anzuvertrauen. Er soll Saddam Hussein
stürzen. Genauer gesagt: die Koordination des Programms zum Sturz
Saddams übernehmen.
Das hat in Ankara zu heftigen Protesten geführt. Ministerpräsident
Ecevit ließ durchblicken, daß Ricciardone diesen Job nicht
von Ankara aus betreiben kann, und forderte die USA auf, endlich eine klare
Irak-Politik zu entwickeln. „Die Türkei hat immer die territoriale
Integrität ihrer Nachbarn unterstützt. Die USA können solche
Aktionen von ihrem Boden aus bewerkstelligen, die Türkei wird nicht
Partei einer solchen Intervention werden. Wir wollen einen konkreten Dialog,
um die Ungewißheit über die amerikanische Irak-Politik zu beenden.“
Die Clinton-Administration hat 97 Millonen Dollar als Unterstützung
für die Opposition gegen Saddam Hussein ausgelobt. Das Geld soll an
sieben Gruppen verteilt werden und Ricciardone aufpassen, daß die
Dollars auch im Sinne der Geldgeber verwendet werden. Das könnte sich
als ziemlich einfach herausstellen, denn im Moment scheint es, als blieben
die USA auf ihrem Geld, respektive militärischem Gerät, sitzen.
Die wichtigsten Oppositionsgruppen haben eine Teilnahme an dem amerikanischen
Anti-Saddam- Programm entweder abgelehnt, oder sich skeptisch geäußert.
Als erstes meldete sich die Dachorganisation der schiitischen Opposition
aus dem iranischen Exil. Ihr Sprecher Hamid al-Bayati sagte, seine
Organisation erhalte keine Mittel aus dem Programm und habe auch nicht
danach gefragt. Man werde sich auch künftig nicht darum bemühen,
da dies die Position der Organisation im Irak sehr schwächen würde.
Am Wochenende haben sich nun auch die beiden wichtigsten kurdischen
Oppositionsgruppen zu den amerikanischen Plänen ablehnend geäußert.
Die ebenfalls mit iranischer Unterstützung operierende Patriotische
Union Kurdistans (PUK) von Jalal Talabani zeigte sich zwar erfreut, von
Washington als wichtige Oppositionsgruppe im Irak akzeptiert zu werden,
hält das ganze US-Programm aber für wenig sinnvoll. Am Wochenende
erklärte die Partei, eine Lösung im Irak sei nur eine demokratische
Transformation ohne äußere Einflüsse.
Auch die zweite große kurdische Oppositionsgruppe, die Kurdische
Demokratische Partei von Massoud Barsani, erklärte in einem Schreiben
an das AP-Büro in Kairo: „Wir werden diese Form der Unterstützung
nicht akzeptieren.“ Massoud Barsani selbst sagte, es sei nicht sein Ziel,
Saddam zu stürzen. Positiv haben auf das US-Angebot bislang nur der
Irakische Nationalkongress in London, eine bunte Truppe irakischer Oppositioneller,
die Monarchisten und eine Gruppe in Amman, zu der ehemalige geflüchtete
Saddam-Leute gehören, reagiert.
Am Montag versuchte Ricciardone zumindest in der Türkei, zu retten,
was zu retten ist. Mit US-Botschafter Parris eilte er zuerst ins Außenministerium,
um dann am Abend erneut mit Ecevit selbst zu konferieren. Die türkische
Regierung hat gegen die amerikanischen Pläne sowohl taktische wie
auch prinzipielle Einwände. Erstens möchte man nicht mehr
als sowieso schon in den Showdown zwischen Bill Clinton und Saddam Hussein
hineingezogen werden. Die Stationierung der Patriot-Raketen auf dem Stützpunkt
in Incirlik, von wo die US-Flugzeuge das Flugverbot im Nordirak überwachen,
hat deutlich gemacht, daß auch die Türkei gefährdet ist.
Grundsätzlich fürchtet Ankara, die USA könnten für
den Sturz Saddams einen kurdischen Staat im Nordirak akzeptieren. Ricciardone
hat sich bemüht, diese Befürchtungen zu zertreuen. Gegenüber
der linksliberalen Zeitung Radikal sagte er: „Ich werde die türkischen
Interessen schützen“. Ecevit zeigte sich noch nicht davon überzeugt,
verzichtete aber darauf, erneut den Abbruch der Mission von Ricciardone
zu fordern. Das hat noch einen anderen Grund. Gestern traf eine Delegation
des Internationalen Währungsfond in Ankara ein, von dem Ecevit neue
Kredite benötigt.