Ankläger hat türkische Militärs im Visier
Staatsanwaltschaft geht von gewaltsamem Tod Andrea Wolfs aus
Die Frankfurter Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Todes von Andrea
Wolf. Die Deutsche kämpfte in den Reihen der kurdischen Guerilla.
Das Kurdistan-Informationszentrum in Köln hatte bereits im November
letzten Jahres gemeldet, Andrea Wolf sei am 22. Oktober von der türkischen
Armee festgenommen und anschließend hingerichtet worden. Jetzt bestätigte
der Sprecher der Staatsanwaltschaft in Frankfurt/Main, Job Tilmann, gegenüber
junge Welt »Ermittlungen wegen eines Tötungsdeliktes zum Nachteil
der Andrea Wolf«. Der Bundesgerichtshof habe vor einigen Tagen die
Staatsanwaltschaft in der Stadt für zuständig erklärt. Tilmann
teilte mit: »Es gibt hinreichend Anlaß, davon auszugehen, daß
Andrea Wolf eines gewaltsamen Todes gestorben ist.« Darauf, gegen
wen sich die Ermittlungen richten, wollte er sich nicht festlegen. »Ermittelt
wird gegen Unbekannt.« Die Angelegenheit dürfte dennoch für
einigen Wirbel sorgen. Neben anderen kurdischen Medien hatte die kurdische
Tageszeitung Özgür Politika von Zeugenaussagen berichtet, die
belegen, Andrea Wolf sei kaltblütig erschossen worden.
In dem Fall müßten deutsche Justizbehörden wegen Mordes
gegen türkische Armeeangehörige ermitteln. Da sieht wohl auch
der zuständige Staatsanwalt Volker Rath einige Probleme auf sich zukommen.
Dazu Rath: »Ich kann da nicht so wie Sie einfach herumreisen und
ermitteln.« Es läuft alles auf ein Rechtshilfeersuchen an die
Türkei hinaus. Doch amtliche türkische Stellen geben vor, nichts
über den Verbleib von Andrea Wolf zu wissen. Das ergaben zumindest
Anfragen des Auswärtigen Amtes in Bonn und der Deutschen Botschaft
in Ankara. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes bestätigt: »Uns
liegt eine offizielle Stellungnahme der türkischen Regierung vor.
Die lautet: Andrea Wolf sei niemals festgenommen worden.« Der Sprecher
weiter: Alles andere seien nur Veröffentlichungen ohne Beweiswert.
Das Kurdistan-Informationzentrum hatte verbreitet, die Guerilla sei später
zum Ort des Verbrechens zurückgekehrt und habe den Leichnam von Andrea
Wolf begraben. Doch das Auswärtige Amt will erst wieder tätig
werden, »wenn neue faktische Umstände bekannt werden«.
Die stehen möglicherweise schon vor der Tür. Nach unbestätigten
kurdischen Angaben habe die Guerilla den Funkverkehr der türkischen
Armee am Todestag von Andrea Wolf aufgezeichnet. Aus diesem ergäben
sich konkrete Hinweise auf den Mord. Bleibt abzuwarten, wie eifrig die
deutschen Justizbehörden ermitteln werden. Hilfe von seiten türkischer
Behörden ist dabei kaum zu erwarten. Staatlich gelenkte Morde »unbekannter
Täter« an Oppositionellen sind in der Türkei alltäglich.
Jörg Hilbert