Türkische Justiz will Verbot von
Kurdenpartei
Staatsanwalt wirft Hadep Verbindungen zur
PKK vor
ANKARA, 29. Januar. Der türkische Generalstaatsanwalt
Vural Savas will die größte kurdische Partei des Landes,
die Demokratische Volkspartei (Hadep), verbieten lassen.
Er habe dem Verfassungsgericht einen 56seitigen Bericht
zukommen lassen, in dem er nachweise, daß die Hadep
kurdische Rebellen unterstütze, erklärte Savas am Freitag in
Ankara. Es bestünden Verbindungen zwischen der Hadep
und der kurdischen Untergrundorganisation PKK. Die
Hadep befürwortet eine friedliche Lösung des seit 14
Jahren andauernden Unabhängigkeitskampfes der PKK.
In der Anklageschrift verweist Savas darauf, daß
Hadep-Mitglieder nach der Ankunft Abdullah Öcalans in
Italien im vergangenen Herbst zur Unterstützung des
PKK-Chefs aufgerufen hätten. Hadep-Chef Murat Bozlak
wurde damals zusammen mit über 700 Parteimitgliedern
verhaftet. Savas wirft der Partei außerdem vor, daß bei
einem ihrer Parteitage die türkische Fahne unter Applaus
der Delegierten abgehängt und durch ein Porträt Öcalans
sowie eine PKK-Fahne ersetzt worden sei. Die
Hadep-Ortsvereine seien regelrechte Anwerbebüros für die
PKK. In Seminaren versuche die Partei, bei Kurden
"Feindschaft gegen die staatliche Ordnung und die staatliche
Einheit" zu wecken.
Ein Hadep-Anwalt sprach von einem politischen Manöver.
Das Verbotsverfahren werde zwar über den Wahltag hinaus
andauern, aber Ankara wolle die Hadep-Wähler offenbar
vor der Stimmabgabe am 18. April abschrecken.
Hadep-Wahlbündnisse sollten erschwert werden. Die Partei
werde zu den Parlaments- und Kommunalwahlen aber
dennoch antreten. Auch der türkische
Menschenrechtsverein IHD kritisierte, die Justiz wolle die
Hadep vor den Wahlen kaltstellen.
Die 1994 gegründete Hadep wird bereits seit längerem von
den türkischen Behörden verfolgt. Bei den Wahlen Ende
1995 war die Partei zwar an der Zehn-Prozent-Hürde
gescheitert, hatte aber in den kurdisch besiedelten Gebieten
im Südosten teilweise über 50 Prozent der Stimmen
erobert. Besonders für die diesjährigen Kommunalwahlen
wurden ihr daher im Osten des Landes Erfolge
vorausgesagt. Die Hadep ist Nachfolgerin der 1994
verbotenen Kurdenpartei DEP. Die DEP-Abgeordneten
waren damals zum Teil zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt
worden; darunter auch die Politikerin Leyla Zana, die in der
Haft mit dem Sacharow-Preis des Europaparlaments
ausgezeichnet wurde. (AFP)
Berliner Zeitung, 30.Januar 99