Die türkische Justiz hat zweieinhalb
Monate vor den Parlamentswahlen das Verbot der einzigen legalen Kurdenpartei
eingeleitet. Die Volksdemokratie-Partei
(HADEP) müsse verboten werden, weil sie von der verbotenen Arbeiterpartei
Kurdistans (PKK) gelenkt werde, erklärte
Generalstaatsanwalt Vural Savas am Freitag in seinem beim
Verfassungsgericht in Ankara eingereichten
Antrag. Die HADEP sei der legale Arm der PKK. Ein HADEP-Anwalt
sprach dagegen von einem politischen
Manöver. Auch wenn sich das Verbotsverfahren über den Wahltag
hinausziehen
dürfte, wolle Ankara die HADEP-Wähler
vor dem Urnengang am 18. April abschrecken. Die Partei werde aber zu den
Parlaments- und Kommunalwahlen antreten.
In der 56seitigen Anklageschrift verweist
Savas darauf, daß HADEP-Mitglieder im Herbst nach der Ankunft Abdullah
Öcalans in Italien zur Unterstützung
des PKK-Chefs aufgerufen hätten. HADEP-Chef Murat Bozlak wurde damals
zusammen mit über 700 Parteimitgliedern
verhaftet. Savas wirft der Partei auch vor, bei einem ihrer Parteitage
sei die
türkische Fahne unter dem Applaus
der Delegierten abgehängt und durch ein Porträt Öcalans
sowie eine PKK- Fahne
ersetzt worden. Die HADEP-Ortsvereine
seien regelrechte Anwerbebüros für die PKK. In Seminaren versuche
die
Partei, bei Kurden »Feindschaft
gegen die staatliche Ordnung und die staatliche Einheit« zu wecken.
HADEP-Anwalt Yusuf Alatas sagte gegenüber
AFP, mit dem Verbotsantrag sollten auch HADEP-Wahlbündnisse mit
anderen Parteien erschwert werden. Der
türkische Menschenrechtsverein IHD beklagte, die Justiz wolle die
HADEP vor
den Wahlen kaltstellen. Dagegen sagte
Staatspräsident Süleyman Demirel, jeder müsse »sich
an die Gesetze halten, sonst
kann der Staat nicht funktionieren«.
Die 1994 gegründete HADEP wird schon
seit längerem von den Behörden verfolgt. Bei den Wahlen Ende
1995
scheiterte die Partei zwar an der Zehn-Prozent-Hürde,
eroberte aber in den kurdisch besiedelten Gebieten im Südosten
teilweise über 50 Prozent der Stimmen.
Besonders für die Kommunalwahlen wurden ihr deshalb im Osten des Landes
Erfolge vorausgesagt. Die HADEP ist
die Nachfolgerin der 1994 verbotenen Kurdenpartei DEP. Die
DEP-Abgeordneten wurden damals zum Teil
zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt; unter ihnen ist auch die Politikerin
Leyla Zana, die während ihrer Haft
mit einem Friedenspreis des Europaparlaments ausgezeichnet wurde.
Der 60jährige Generalstaatsanwalt
Savas gilt als kompromißloser Verfechter des von Justiz, Militär
und etablierten
Parteien getragenen türkischen
Staatsverständisses. Danach gelten selbst gemäßigte Forderungen
nach Autonomie für die
Kurden als staatsfeindlich. Aber auch
gegen islamisch- fundamentalistische Bestrebungen geht Savas vor. Im
vergangenen Jahr hatte er das Verbotsverfahren
gegen die fundamentalistische Wohlfahrtspartei geleitet.
jW, 30.01.99