Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 3, Jg. 12, 10.2.1999
 

Brandstifter am Werk
Irrwitzige US- und türkische Pläne zur "Neuordnung" des Mittleren Ostens

Die USA, Großbritannien, Israel und die Türkei sind in diesen Tagen hin- und hergerissen in ihren irrwitzigen Überlegungen für eine "Neuordnung des Mittleren Ostens". Der folgende kleine Artikel soll ein Versuch sein, die irrwitzigen Pläne dieser Brandstifter im Mittleren Osten anhand ihrer eigenen Presse zu skizzieren. Wobei israelische Pressestimmen weitgehend fehlen.

Ausgangspunkt all dieser Pläne sind die erkennbaren Absichten sowohl der USA wie auch Großbritanniens, das Regime Saddam Husseins in Irak zu stürzen - koste es, was es wolle.
US-Außenministerin Albright und andere US-Emissäre reisten in den letzten Tagen und Wochen mehrfach durch die Staaten des Mittleren Ostens, um die Chancen und Reaktionen auf diese Absichten auszuloten.

*US-freundliche "Oppositionsgruppen" wollen nicht so recht*
Der erste Rückschlag für die US-Pläne kam aus den Kreisen der in der letzten Ausgabe dieser Zeitschrift genannten 7 Oppositionsgruppen, die die Clinton-Administration auf Betreiben vor allem der Republikaner im US-Kongreß ausgesucht hatte als Empfänger von 97 Mill. US-Dollar "Hilfszahlungen" seitens der USA. In der US-Presse war in diesem Zusammenhang offen davon die Rede, notfalls diese Oppositionsgruppen auch militärisch für den Kampf gegen Saddam auszurüsten. Erste Berichte über solche Ausbildungslager unter US-Kontrolle in den von Barzanis KDP in Südkurdistan (Nordirak) kontrollierten Gebieten waren bereits in US-Zeitungen erschienen.
Problem: Die Oppositionsgruppen wollen nicht so recht. Zwei der Gruppen - der in London sitzende "Irakische Nationalkongreß" sowie das in Jordanien arbeitende "Irakische Nationale Bündnis" - sowie monarchistische Kräfte haben die US-Entscheidungen zwar begrüßt. Aber selbst die "Washington Times" fragte am 26.1.: "Einige der Gruppen wie die Monarchisten bestehen nur im Exil in London. Eine der praktischen Fragen ist deshalb: Wie geben wir ihnen in London militärische Ausrüstungshilfe?"
Andere Gruppen, so der in Teheran ansässige "Oberste Rat der Islamischen Revolution in Irak", ein Dach mehrerer schiitischer Oppositionsgruppen, haben bereits die US-Angebote zurückgewiesen. Auch die KDP hat in einem Fax an AP in Kairo erklären lassen: "Wir wünschen diese Art der Hilfe nicht" (AP, 24.1.99). Die südkurdische PUK hat ebenfalls in einer gewundenen Erklärung verlauten lassen, einerseits begrüße sie natürlich die US-Erklärung als eine "Anerkennung des Kampfes der PUK" für einen demokratischen Irak. Eine "Transformation" im Irak könne aber nicht durch die Bewaffnung von Gruppen erfolgen, die womöglich noch nicht einmal eine Basis im Irak habe. "Die PUK kann es sich nicht leisten, solche Gelder anzunehmen, aber sie ist entschlossen, ihren Kampf entsprechend ihren eigenen Prinzipien und politisch unabhängig fortzusetzen", heißt es zum Schluß der etwas gewundenen Absage an Washington. (Stellungnahme der PUK, 23.1.99)
Einen Tag vor dieser Absage hatte der neuernannte
US-"Sonderbotschafter für den Übergang im Irak", Frank Ricciardone, bis zu diesem Tag stellvertretender Chef der US-Botschaft in Ankara, seinen neuen Job übernommen und war aus Ankara nach Washington abgereist.

*US-Truppen im Nord- und Süd-Irak?*
Trotz dieser Rückschläge halten die USA an ihren Überlegungen über Truppenstationierungen im Irak offenbar fest. In der Washington Times erschien am 26.1. erneut ein solcher Bericht. Die Kurden im Nord-Irak könnten die eine Basis für den Kampf gegen Saddam sein, behauptete der Autor des Berichts. Dabei müßten die USA aber die Sorgen der Türkei beruhigen, aus einer solchen kurdischen Selbstverwaltung könne womöglich ein unabhängiger kurdischer Staat entstehen, der auf die Türkei ausstrahle, so der Autor weiter. Die Stationierung von US-Patriot-Raketen im Südosten der Türkei scheint eine solche "Beruhigungsmaßnahme" der USA zu sein, meint der Autor.
Er zitiert dann Paul Wolfowitz, einen früheren Beamten der Reagan-Administration und Absolventen der "Nitze Schule für Internationale Studien". Der schlägt vor, die USA sollten auch für die schiitischen Gebiete im Süden des Irak der dortigen schiitischen Opposition Luftraumdeckung und evtl. auch Bodentruppen für den Kampf gegen Saddam zur Verfügung stellen.

*Ecevits "alte" und neue Pläne*
Am gleichen Tag erschien in der "Turkish Daily News" in Ankara ein Bericht, der neue türkische Ministerpräsident Ecevit haben seinen "alten" Plan, den er vor einigen Jahren schon einmal vorgestellt habe, nun überarbeitet und wolle diesen als türkischen Vorschlag zur Änderung der Lage im Mittleren Osten vorstellen.
Dieser Plan sieht offenbar vor, eine Art jordanisch-irakische Föderation zu bilden. Eine solche Föderation werde auch von den monarchistischen Kreisen des haschemitischen Königreichs in Jordanien und von einer pro-haschemitischen Opposition im Irak unterstützt. In Jordanien ist auch der britische Einfluß stark. Faktisch würde dieser irrwitzige Plan eine "Achse" von der Türkei über eine haschemitische Föderation Irak/Jordanien bis nach Israel schaffen und Syrien damit komplett einkreisen.
Da die von Ecevit propagierte "Föderation" in Wirklichkeit eine extrem instabile Konstruktion wäre, bedeutet dieser Plan de facto auch eine Ausdehnung der türkischen Okkupationspolitik in die kurdischen Gebiete im Nord-Irak hinein - und damit einen Schritt weiter für den alten großtürkischen Traum, sich die Erdölgebiete von Mossul und Kirkuk wieder einzuverleiben. Der "Schutz der turkmenischen Minderheit" im Nordirak, die sich offenbar unter dem Einfluß türkischer Beamter und türkischer Zahlungen in den letzten Jahren explosionsartig vermehrt hat, ist ein gerne gebrauchtes weiteres türkisches Propagandaargument.  (TDN, 26.1.99)
Offiziell nennt Ecevit seinen Kriegsplan einen "Regionalen Sicherheitsplan". Angebliches Ziel der türkischen Politik sei es, einen stabilen und einheitlichen Irak wieder in die internationale Gemeinschaft einzufügen. In dem Dokument wird dann scheinheilig bedauert, die bisherige US-Politik und britische Politik habe ein "Vakuum" in den kurdischen Gebieten im Nord-Irak bzw. Südkurdistan geschaffen - die Absicht, dieses angebliche "Vakuum" durch türkische Militärmacht zu füllen, d.h. die kurdischen Gebiete dem türkischen Reich einzuverleiben, ist unübersehbar. Scheinheilig heißt es weiter, die "ethnischen Minderheiten" im Irak sollten "Provokationen" unterlassen, die Einheit des Irak dürfe nicht gefährdet werden. Der Irak solle aber sich um "vertrauensbildende Maßnahmen" auch gegenüber Israel bemühen, beide hätten die gleiche "regionale Bedrohung" auszuhalten - eine unmißverständliche Spitze gegen Syrien und den Iran. (TDN, Bericht des Parlamentsbüros, 26.1.99)

*Kurden noch nicht einmal erwähnt!*
Am 29.1. veröffentlichte dann Cumhuriyet die amtlichen türkischen "12 Punkte betreffend die irakische Frage". Der überarbeitete, 1996 erstmals vorgestellte "Ecevit-Plan" verlange nunmehr:
1. Aufhebung des Embargos gegen den Irak. 2. Irak solle demokratische Rechte garantieren (wie in der Türkei? Anm d. Red.) 3.+4. Im Nordirak soll ein "Sicherheitskorridor" geschaffen werden, Wahlen stattfinden.  5. Die "ethnischen Gruppen" im Irak sollten mit Bagdad wieder Beziehungen aufnehmen. 6. Die US-"Schutzzone" soll bestehen bleiben.  7. Die USA sollten "positive Schritte" gegenüber dem Irak machen. 8.  Die internationale Gemeinschaft solle die Lage der Turkmenen im Irak beachten. 9. Irak und Israel sollten stabile Beziehungen aufnehmen.  10. Die Sorgen der OPEC-Staaten vor einem Fall der Ölpreise sollten beachtet werden. 12. Die US-Basen im Mittleren Osten sollten nur "befristet" bestehen bleiben.

Interessant und bezeichnend ist, daß in diesem "Plan" noch nicht einmal das Wort "Kurden" auftaucht. Von kurdischer Selbstverwaltung bleibt auf jeden Fall keine Spur.

*US-General warnt vor einem "Zerfall des Irak"*
Einen Tag vorher hatte US-General Anthony Zinni, Befehlshaber des berüchtigten US-Marinekorps, im US-Senat seine Bedenken gegen die Anti-Saddam-Politik der Regierung Clinton vorgetragen. Eine Politik der Unterstützung der Oppositionsgruppen, wie sie die Republikaner auch befürworteten, könnte, "wenn sie nicht angemessen erfolgt, sehr gefährlich sein", so Zinni wörtlich vor dem Streitkräfteausschuß des Senats.
Die US-Army kenne 91 Oppositionsgruppen im Irak, und sie beobachte alle diese Gruppen sehr genau, so der General weiter. "Sie sind, wenn überhaupt, wenig verläßlich. Selbst wenn Saddam weg wäre, könnten wir es am Ende mit 15, 20 oder sogar 90 Gruppen zu tun haben, die alle um die Macht im Irak kämpfen." (AP, 28.1.99)

*Arabische Bedenken bleiben*
Bei den arabischen Staaten, vor allem wohl Jordanien, Ägypten und Saudi-Arabien, überwiegen trotz intensiver US-Werbung und -Reisetätigkeit in den letzten Tagen und Wochen gegenüber diesen Kriegsplänen zu Recht weiterhin die Bedenken. Keine dieser Regierungen hat bisher öffentlich in diese irrwitzigen "Neuordnungspläne" für den Mittleren Osten eingewilligt. (Reuters, 29.1.99)

*ERNK warnte vor den US-Plänen*
Bereits Mitte Januar hatte auch die ERNK vor den US-Plänen und der US-Politik auf einer Pressekonferenz gewarnt. Diese Warnung richtete sich insbesondere auch an die beiden südkurdischen Parteien PUK und KDP, die aufgefordert wurden, sich nicht zu Vasallen der US-Kriegspläne für den Mittleren Osten zu machen.
Der Druck der USA auf Europa in Sachen Öcalan, der Regierungsantritt Ecevits in der Türkei und die Anti-PKK-Vereinbarungen der USA mit der KDP Barzanis und der PUK Talabanis seien Teil eines einheitlichen Plans, an dem die kurdischen Parteien nicht mitwirken sollten, so die ERNK.
Die US-"Neuordnungspläne" schlössen auch den Kaukasus ein und schürten auch dort die Spannungen, erklärte die ERNK weiter. So hätten die USA Anfang des Jahres damit begonnen, eine militärische Basis in Aserbeidschan aufzubauen. Im Gegenzug verstärke nun die russische Regierung ihre militärische Präsenz in Armenien und entlang der russisch-türkischen Grenze. So seien nunmehr 29 MIG-29- Kampfflugzeuge nur wenige Kilometer hinter der Grenze zur Türkei stationiert, auch S-300-Raketenbatterien seien wieder errichtet worden. (Kurdistan News Bulletin, 14.-21.1.99, London)
(Zusammenstellung und Übersetzung: rül)