Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 3, Jg. 12, 10.2.1999
 

Waffen & Militär
Türkische Polizei will 48 Hubschrauber

Die türkischen Polizeibehörden haben eine internationale Ausschreibung zum Kauf von 48 neuen Hubschraubern gestartet. Nach inoffiziellen Berichten sollen die Polizeibehörden 10 leichte Hubschrauber direkt im Ausland kaufen wollen. 30 schwerere Maschinen sollen in Co-Produktion mit türkischen Rüstungsfirmen gebaut werden. 8 Transporthubschrauber sollen offenbar auf Basis einer Lizenz der deutsch-französischen Rüstungsgruppe Eurocopter (DASA u.a.), die die Fertigung von 30 Transporthubschraubern in der Türkei erlaubt, ebenfalls durch ein türkisches Rüstungsunternehmen gefertigt werden. Bis 29. Januar sollten Angebote von Rüstungsfirmen in aller Welt eingeholt werden.  Nach Presseberichten haben sich um den Auftrag 7 Rüstungsgruppen beworben, darunter die Eurocopter-Gruppe, die italienische Augusta, eine polnische Firma und die drei US-Konzerne Boeing, Bell Textron und Sikorsky.
Die Türkei will maximal 300 Millionen DM zahlen, hat aber selbst diese im Augenblick. Die Konzerne sind deshalb auch um Finanzierungsvorschläge angegangen worden.
Die leichten Hubschrauber sollen angeblich zur Verkehrskontrolle genutzt werden, die schwereren u.a. zum Transport von "Persönlichkeiten" und von Einheiten der türkischen Sicherheitsapparate.
Die US-Regierung hatte vor einigen Wochen Kredithilfen für den Kauf von bewaffneten Fahrzeugen für die türkische Polizei, die in kurdischen Gebieten zum Einsatz kommen sollten, mit Hinweis auf die anhaltenden schweren Menschenrechtsverletzungen dort verweigert.  (Turkish Daily News, 3.2.99)
                                 *

"Partnerschaft für Frieden" in Ankara
Mitte Januar fand in Ankara eine weitere NATO-Tagung im Rahmen des Programms "Partnerschaft für den Frieden" (PFP) statt. Anwesend waren u.a. der US-General Joseph W. Ralston, Vizevorsitzender der Stabschefs der USA, sowie 25 weitere hochrangige Offiziere aus Albanien, Aserbeidschan, Bulgarien, Tschechische Republik, Georgien, Kirgisistan, Usbekistan, Rumänien, Ukraine und Türkei. Auch Mitglieder der sog. "Friedenstruppe" in Bosnien-Herzegowina, des UN-Flüchtlingskommissars und des türkischen "Nationalen Sicherheitsrats" nahmen an der Tagung teil. (Anadolu, 11.1.99)
                                 *

Kivrikoglu in Bulgarien
Der türkische Generalstabschef Kivrikoglu besuchte am 12. Januar Bulgarien. Ziel war u.a. der Abschluß der Verhandlungen über die Bildung einer sog. "Balkan-Friedensstreitmacht", deren erster Kommandeur ein türkischer General sein wird. Es sei Sache der NATO, so Kivrikoglu, ob diese "Friedensstreitmacht" auch im Kosovo zum Einsatz komme. (Anadolu, 12.1.99)
                                 *

Türkische Luftwaffe im Kosovo
Die türkische Luftwaffe werde sich an der NATO-Streitmacht zur "Sicherung" des Kosovo beteiligen, verlautete Ende Januar in der türkischen Presse. Die Türkei werde 11 F-16-Kampfflugzeuge auf den Balkan schicken, verlautete in Ankara. (Radikal, 28.1.99)
                                 *

Genehmigt Rot-Grün Panzerlieferungen an die Türkei?
Interview mit Otfried Nassauer, Leiter des "Berliner
Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS)"
Mitte Januar wurde eine Voranfrage der deutschen Industrie zu einer geplanten Panzerlieferung an die Türkei im Bundessicherheitsrat beraten und eine Entscheidung vertagt - ist diese Frage ein Sprengsatz für die rot-grüne Regierungskoalition?
Nassauer: Das ist ein Sprengsatz vor allem für die SPD, die sich in den vergangenen Jahren aus der Opposition vehement gegen Rüstungslieferungen an die Türkei ausgesprochen hat. Es geht um 200 Transportpanzer, die exportiert werden sollen, sowie um 1.800 weitere, die in der Türkei in Lizenz gefertigt werden sollen, d.h. es geht um ein Milliardengeschäft. Für die regierende Volkspartei SPD ist das ein echtes Problem. In ihren Reihen gibt es nicht nur die in Oppositionszeiten wohlgelittenen Rüstungsexportkritiker, sondern auch handfeste Interessenvertreter: Aus den Gewerkschaften und aus der Industrie. Für sie geht es um Arbeitsplätze und ums Geschäft. Sie denken an die kommenden Probleme bei der Umstrukturierung der deutschen Heeresrüstungsindustrie. Da bezieht sich keiner aufs "Vater unser" und sagt "und führe mich nicht in Versuchung". Und der Koalitionsvertrag zwischen SPD und Grünen hat für sie sicher einen geringeren Stellenwert als das "Vater unser". Man darf gespannt sein, wer sich durchsetzt. Die Interessenvertreter oder Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul und die Kritiker solcher Exporte. Übrigens: Die Grünen haben es da einfacher. Zur Zeit sind sie weder Volks- noch Wirtschaftspartei.

Warum gab es überhaupt eine Voranfrage, war das ein Testballon?
Nassauer: Das kann ein Testballon für eine ganze Reihe von Fragen gewesen sein. Es gibt keine wirkliche Notwendigkeit, eine solche Entscheidung jetzt zu treffen bzw. zu suchen. Aber Voranfragen für Rüstungsexporte werden oft Jahre vor Abschluß des eigentlichen Vertrages gestellt. Sie sollen grundsätzlich klären, ob mit politischem Widerstand zu rechnen wäre. Die Anbahnung eines Milliardengeschäftes kostet ja nicht nur viel Zeit, sondern auch viel Geld - vor allem in Staaten, in denen Geschenke und Bestechungen üblich sind. Hinzu kommt in diesem Fall, daß das Vorhaben in der Türkei noch nicht einmal auf der Prioritätenliste für militärische Neuanschaffungen steht und deshalb erst einmal dorthin bugsiert werden müßte. Das ist aus Sicht einer interessierten Firma sicher schon Grund genug, rechtzeitig das politische Umfeld zu prüfen. Trotzdem kommen zwei mögliche Motive noch hinzu: Zum einen lohnt die Anfrage, gerade bei einem so großen Geschäft, wenn getestet werden soll, ob rot-grün wirklich prinzipientreu ist und die Aussagen des Koalitionsvertrages ernst meint. Zum anderen könnte es darum gehen, abzutesten, wie die Bundesregierung reagiert, wenn deutsche Rüstungsbetriebe größere Produktionskapazitäten außerhalb der EU schaffen, an Orten, an denen es kaum Exportbeschränkungen gibt.

Zu Oppositionszeiten wurde die alte Bundesregierung wegen ihrer Rüstungsexportpolitik von den heutigen Regierungsparteien teils heftig kritisiert. Steht unter der geäußerten Losung "Kontinuität in der Außenpolitik" ein Schwenk in Richtung Kohl, Kinkel, Rühe bevor?
Nassauer: Es besteht die Gefahr in einen Schwenk in Richtung Rheinmetall, DaimlerChrysler, Blohm&Voss usw. Wenn die in den Gewerkschaften organisierte Arbeitnehmerschaft, die Industrie und deren Lobbyisten innerhalb und außerhalb der SPD-Fraktion gemeinsam Druck ausüben, dann wird sich zeigen, was die Einigungen im Koalitionsvertrag wert sind. Die Rüstungskonzerne sind da in der Wahl ihrer Mittel auch nicht zimperlicher als die Atomkraftwerksbetreiber.

Der im Koalitionsvertrag zu findende Satz: "Der nationale deutsche Rüstungsexport außerhalb der NATO und der EU wird restriktiv gehandhabt" berührt die Türkei nicht, das Land ist in der NATO: Gilt deshalb hier diese im Koalitionsvertrag getroffene Festlegungen nicht?
Nassauer: Der nächste Satz in den Koalitionsvereinbarungen lautet dann aber: "Bei Rüstungsexportentscheidungen wird der Menschenrechtsstatus möglicher Empfängerländer als zusätzliches Entscheidungskriterium eingeführt". Ich sehe nicht, daß in diesem Satz für NATO- oder EU-Länder eine Ausnahmeregel vereinbart wurde. Wer, wenn nicht die Mitglieder der Wertegemeinschaft NATO, sollte an diesem Kriterium gemessen werden?

Auch die alte Bundesregierung hat von einer restriktiven Rüstungsexportpolitik gesprochen. Was würde restriktiv in der Praxis heißen bzw. welche geplanten Exporte wären ganz konkret von einer ernsthaften Umsetzung dieser Absicht betroffen?
Nassauer: Die neue Bundesregierung hat noch keine über den Koalitionsvertrag hinausgehende Formulierung ihrer Rüstungsexportpolitik vorgenommen. Dies soll im Bundessicherheitsrat geschehen. Man darf gespannt sein, wie restriktiv die Regierung das Wort "restriktiv" auslegt. Und wir dürfen gespannt sein, wie sie die Handhabung gestaltet. Auch in der Vergangenheit waren die Gesetze in der Bundesrepublik nicht die Schlechtesten. Nur bei der Umsetzung haperte es immer wieder. (Interview: Thomas W. Klein)