junge Welt 01.03.1999
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Türkei will Baskenland boykottieren
Geplantes Treffen des kurdischen Exilparlamentes im Baskenland kritisiert
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Türkische Unternehmer haben Ende vergangener Woche einen geplanten
Besuch in Bilbao kurzfristig abgesagt. Die Unternehmer, die sich auf einer
Rundfahrt in Spanien befanden, wollten zum Ende ihrer Reise auch die baskische
Industriemetropole besuchen, um über gemeinsame Projekte zu sprechen.
Daraus wurde nichts, weil das baskische Regionalparlament an seiner im
Januar getroffenen Entscheidung festhält, dem kurdischen Exilparlament
seine Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen.
Seit der Verhaftung des PKK-Chefs Abdullah Öcalan bekommt der
Streit eine neue Qualität. »Es wird die baskischen Unternehmen
einiges kosten, wenn sich die Kurden in Vitoria treffen«, so der
türkische Botschafter in Spanien, Gün Gür. Die Absage der
türkischen Unternehmer könne als der erste praktische Schritt
hin zu einem möglichen Boykott gewertet werden. Zwar wisse die Regierung
in Ankara, daß es sich um eine Entscheidung »weniger Personen
handelt«, für die nicht das gesamte Land verantwortlich gemacht
werden kann. »Aber es wird schwierig, daß das auch die Leute
auf der Straße verstehen«, fügte Gür hinzu. So wundert
es nicht, daß auch die Angriffe aus Madrid heftiger werden. Spaniens
Präsident JosÚ Maria Aznar höchstselbst erklärte:
»Die Regierung wird alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel
nutzen, um dafür zu sorgen, daß die Versammlung nicht stattfindet«.
Denn das Exilparlament sei ein »Propagandaelement der Terrororganisation
PKK«. Wie die Regierung die Versammlung unterbinden will, ist indes
unklar. Die Einreise der 65 Parlamentarier jedenfalls kann sie nicht verhindern,
weil viele Freizügigkeit in der Europa genießen. Deshalb
bedankten sich am vergangenen Mittwoch auch verschiedene kurdische Vertreter
im Baskenland persönlich für die Einladung. Man könne nicht
20 Millionen Kurden, »die einem Völkermord ausgesetzt sind«,
als Terroristen bezeichnen,sagte der außenpolitische Sprecher des
Exilparlamentes, Ali Giyit.
Unterdessen wies der türkische Regierungschef Bülent Ecevit
internationale Forderungen nach Minderheitsrechten für die Kurden
zurück. »Wir haben kein Problem einer kurdischen Minderheit«,
so Ecevit am Samstag abend im staatlichen Fernsehsenders TRT. »Diese
Leute sind Bürger erster Klasse wie die Bevölkerung im übrigen
Land.« Erneut beschuldigte er Griechenland, auf seiten der PKK zu
stehen und forderte von der NATO gar Sanktionen gegen das Nachbarland.
»Die Türkei wird alles Notwendige für ihre Selbstverteidigung
unternehmen«, so der Regierungschef. Im Zusammenhang mit dem Prozeß
gegen Öcalan verwahrte sich Ecevit gegen Kritik am türkischen
Justizsystem. Öcalan-Verteidiger Osman Baydemir wurde am Samstag morgen
in Istanbul nach mehrstündiger Inhaftierung wieder freigelassen. Ihm
wurden Kontakte zur PKK vorgeworfen.
Ralf Streck