Schily prüft Abschiebungen
Minister warnt davor, Kurden voreilig zu kriminalisieren
von Bernhard Honnigfort
DRESDEN, 5. März. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) läßt
prüfen, ob es möglich ist, straffällig gewordene Anhänger
der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK aus Deutschland abzuschieben.
„Ich kann keine Voraussagen machen, ob die Möglichkeiten dazu bestehen“,
sagte Schily am Freitag nach der Innenministerkonferenz in Dresden. Die
Prüfung werde Zeit in Anspruch nehmen. Es seien verfassungsmäßige
und völkerrechtliche Grenzen einzuhalten.
Schily äußerte sich skeptisch darüber, ob ein Briefwechsel
zwischen dem früheren Innenminister Manfred Kanther (CDU) und dessen
türkischem Kollegen Grundlage dafür sein könnte, PKK-Anhänger
abzuschieben, ohne daß ihnen in der Türkei Gefahr für Leib
und Leben drohe. „Ich warne vor allzu großen Erwartungen“, sagte
Schily.
Er mahnte an, nicht von „Kurdenkrawallen“ in Deutschland zu sprechen.
Die große Mehrzahl der Kurden habe sich friedlich verhalten. Es sei
nicht in Ordnung, sie durch eine falsche Wortwahl mit den Ausschreitungen
von PKK-Anhängern in Verbindung zu bringen.
Zentrales Thema der als „Kamingespräche“ bezeichneten Dresdner
Konferenz war die Lage in Bosnien-Herzegowina. Von 350 000 Flüchtlingen,
die aus dem Bürgerkrieg nach Deutschland geflohen waren, seien inzwischen
260000 zurückgekehrt, sagte der Vorsitzende der Konferenz, Sachsens
Innenminister Klaus Hardraht (CDU). Nur 3500 Flüchtlinge hätten
abgeschoben werden müssen, das seien ein Prozent. „Die bosnischen
Flüchtlinge haben ihr Gastrecht nicht mißbraucht“, sagte Hardraht.
Der überwiegende Teil sei freiwillig zurückgegangen.
Hardraht kündigte an, man werde darauf bestehen, daß auch
die restlichen 90 000 das Land verlassen. „Notfalls auch mit Abschiebungen.“
In Härtefällen, in denen Flüchtlinge traumatisiert sind
oder in international anerkannten Lagern eingesperrt gewesen waren, werde
geprüft, ob sie länger in der Bundesrepublik bleiben könnten.
Der Beauftragte der Bundesregierung für Bosnienflüchtlinge,
Hans Koschnick, sagte dazu, wer es verkraften könne, solle nach Hause
gehen. „Aber wir werden mit humanitären Fragen sehr sensibel umgehen.“
Koschnick wies darauf hin, daß derzeit 180 000 Flüchtlinge aus
Kosovo in Deutschland leben, von denen der überwiegende Teil zurück
nach Hause möchte. Sollte es bei den Friedensverhandlungen für
das umkämpfte Gebiet zu keiner Lösung kommen, „wird es grausig
werden in Europa“, warnte Koschnick.