USA bereiten Militärputsch im Irak vor
Hoffnung auf Opposition aufgegeben. Prowestliche Militärjunta
soll Saddam Hussein stürzen
In einem Interview mit der türkischen Tageszeitung Milliyet vom
1. März sagte der neue US-»Sonderbeauftragte für einen
Wechsel im Irak«, Frank Ricciardione: »Wahrscheinlich wird
es einen Militärputsch geben. Er wird sehr plötzlich und ohne
Vorwarnung stattfinden.« Ricciardones Ausführungen bestätigen
indirekt, daß die 97 Millionen US-Dollar, die die US-Regierung Iraks
zivilen Oppositionsgruppen versprochen und teilweise auch ausbezahlt hatte,
die reine Verschwendung sind.
Zunächst lag das Problem darin, daß die wichtigsten kurdischen
und schiitischen Oppositionskräfte u. a. aus Rücksichtsnahme
auf ihre Unterstützer in Syrien und im Iran nicht offiziell als Werkzeuge
der USA dastehen wollten. So betonte z. B. der Vorsitzende des - im wesentlichen
schiitischen - »Obersten Rates der islamischen Revolution im Irak«
(SCIRI), Ayatollah Muhammad Baqr al-Hakim, am 13. Februar in einem Interview
mit der Pariser Zeitung Le Monde, daß seine Organisation das Finanzangebot
der USA ablehne, zum einen, weil es gerade die USA - und Frankreich - gewesen
seien, die bislang dem Regime geholfen hätten, das irakische Volk
zu unterdrücken, und zum anderen, weil das »Irak Befreiungsgesetz«,
das diese Millionen freigibt, keinen Ton über das Los des irakischen
Volkes verliere, sondern ausschließlich von Massenvernichtungswaffen
und der Gefahr für die Nachbarstaaten spreche. Der Sturz des Regimes
sei in erster Linie eine Angelegenheit des irakischen Volkes.
Während er aber bereits in diesem Interview die »internationale
Gemeinschaft«, den UN-Sicherheitsrat und die »einflußreichen
Mächte« aufrief, zugunsten des irakischen Volkes zu intervenieren
und zwar nach dem Vorbild ihrer Intervention im Kosovo, hat sich der Schwerpunkt
seiner Argumentation seitdem deutlich verschoben. In einem Interview mit
der italienischen Zeitung Repubblica vom 24. Februar erwähnte er zwar
immer noch Vorbehalte gegenüber den amerikanischen Plänen, sagte
aber auch: »Wir sind bereit, mit den USA zusammenzuarbeiten, um unserem
Volk internationalen Schutz zu verschaffen und das Regime in Bagdad zu
stürzen.« Er forderte die USA auf, die Flugverbotszone auf den
gesamten Irak auszudehnen. Im zitierten Le-Monde-Interview hatte Baqr al-Hakim
die Vorstellung, daß die territoriale Einheit des Iraks im Falle
des Sturzes des Regimes in Frage gestellt werden könne, weit von sich
gewiesen, da der SCIRI Angehörige aller islamischen Religions- und
Volksgruppen umfasse und keine der Oppositionskräfte das wünsche.
Statt dessen habe man sich auf eine föderative Lösung geeinigt.
Der Hinweis auf das Kosovo jedoch impliziert etwas anderes. Die dort geplante
NATO-Besatzungszone hat ihr Vorbild in Bosnien. Für den Irak würde
das die Schaffung halb-autonomer Zonen etwa der Schiiten im Süden
und der Kurden im Norden bedeuten. Baqr el-Hakims Sinneswandel war ganz
offensichtlich das Ergebnis der Ermordung des führenden schiitischen
Würdenträgers im Irak, des Ayatollah Sayyid Muhammad al- Sadr,
und der nach gewohntem Muster blutigen Niederschlagung der darauf in etwa
20 Städten folgenden Volksaufstände. Wie es scheint, kam er jedoch
zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.
Inzwischen nämlich war es der Türkei mit US-Hilfe gelungen,
PKK-Führer Öcalan in ihre Hände zu bekommen und dessen Organisation
durch die gleichzeitige militärische Großoffensive in Irakisch-Kurdistan
weiter zu schwächen. Je mehr aber die PKK, deren Guerilleros in Irakisch-Kurdistan
ihre wesentlichen Rückzugsbasen haben, militärisch geschwächt
wird, desto weniger ist die Türkei auf die Söldnerdienste der
»Demokratischen Partei Kurdistans-Irak« des Barzani-Clans angewiesen,
eines wichtigen Bestandteils der irakischen Opposition. Die Türkei
ist weder daran interessiert, an ihrer Südgrenze einen einheitlichen
Irak zu haben, in dem Kräfte wie der vom Iran unterstütze SCIRI
etwas zu sagen haben, noch an einem faktisch unabhängigen kurdischen
Staat.
Ricciardone hat gegenüber Milliyet die Idee einer Aufteilung des
Iraks zurückgewiesen. Die sich aufdrängende aber hier nur implizit
gestellte Frage, wie denn die rund 50 Prozent der Gesamtbevölkerung
stellenden Schiiten und die Kurden, um nur die wichtigsten nicht sunnitisch-arabischen
Gruppen zu nennen, auf ein Militärregime reagieren würden, das
notwendigerweise wie das Saddam-Regime einen ausgeprägt sunnitisch-arabischen
Charakter haben würde, antwortete er: »Natürlich wird es
eine Zeitlang einen Machtkampf geben, aber es ist viel riskanter, nichts
zu tun«.
Anton Holberg