Hungerstreik in siebzehn Gefängnissen
Kurdische Häftlinge protestieren gegen Abschiebung in die Türkei
Mehr als 100 kurdische und türkische Gefangene befinden sich zur
Zeit in der BRD im Hungerstreik. In 15 Vollzugsanstalten sowie den Abschiebegefängnissen
in Büren und Hamburg-Glasmoor fordern die Inhaftierten die sofortige
Freilassung Abdullah Öcalans und von der Bundesregierung eine Garantie
für die Sicherheit seines Lebens. In Büren und Glasmoor protestieren
die Hungerstreikenden auch gegen ihre drohende Abschiebung in die Türkei.
»Der Ort, wohin kurdische Gefangene abgeschoben werden, ist uns allen
bekannt: die Türkische Republik, deren Justiz nach Belieben Menschen
diskriminiert, festnimmt und foltert«, heißt es in der Protesterklärung
der Gefangenen des Abschiebegefängnisses Hamburg-Glasmoor, die jW
vorliegt. Der Hamburger Journalist Michael Enger, der im Auftrag des Fernsehmagazins
Monitor in Zusammenarbeit mit dem Flüchtlingsrat Niedersachsen ehemalige
Abschiebehäftlinge in der Türkei aufspürte, kam zu dem gleichen
Schluß. »Alle, die wir gefunden haben, sind direkt nach der
Ankunft in der Türkei inhaftiert und gefoltert worden«, so Michael
Enger zu jW.
Der Grund für die Gefährdung von Abschiebehäftlingen
ist laut Rechtsanwältin Cornelia Ganten-Lange die Europäische
Übereinkunft über Rechtshilfe in Strafsachen, die am 20.4.1959
getroffen wurde und für die Türkei am 22.9.1990 in Kraft trat.
Auf Grundlage des Artikels 22 dieser Übereinkunft findet ein regelmäßiger
Strafnachrichtenaustausch zwischen der BRD und der Türkischen Republik
statt, so Cornelia Ganten-Lange. In einem Urteil vom 20.8.1997 kam das
Verwaltungsgericht Gießen zu dem Schluß, dies bedeute eine
Gefährdung der betroffenen Personen und gewährte in einem Fall
Abschiebeschutz.
Dieses Urteil machte sich der Bremer Rechtsanwalt Israel bei seinem
Mandanten Yasar Yilderim zunutze, der in Hamburg bei den Protestaktionen
vor dem griechischen Konsulat am 16.Februar festgenommen wurde und nun
nach einem Schnellverfahren abgeschoben werden soll. Ob mit dem Eilantrag
auf vorläufigen Rechtsschutz die für heute geplante Abschiebung
verhindert werden konnte, stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest.
Der 28jährige Kurde Mehmet Kilic, der ebenfalls bei den Protestaktionen
verhaftet wurde und in Köln in Abschiebehaft saß, wurde am 1.
März trotz eines solchen Antrags nach Istanbul abgeschoben. Die türkischen
Tageszeitungen Hürriyet und Sabah hatten von der bestehenden Abschiebung
des »PKK-Anhängers Mehment K.« berichtet. Den Antrag seiner
Anwältin auf Abschiebestopp, weil aufgrund dieser Artikel mit der
Verhaftung ihres Mandanten direkt nach der Ankunft in der Türkei zu
rechnen und eine Folter nicht auszuschließen sei, lehnte das Gericht
mit der fadenscheinigen Begründung ab, der Betroffene könne wegen
der Abkürzung seines Namens nicht identifiziert werden. Die Initiative
»Zeit für Frieden in Kurdistan« hatte am Donnerstag zu
einer Protestaktion am Hamburger Flughafen gegen die Abschiebung eines
weiteren Kurden aufgerufen. Laut Aussagen eines Teilnehmers der Aktion
gab es ein großes Aufgebot des Sicherheitsdienstes des Flughafens,
des Bundesgrenzschutzes und einer Sondereinheit der Polizei, ehe die Aktion
überhaupt begonnen hatte. Die Sicherheitsbeamten gestatteten den Protestierenden,
Flugblätter in der Eingangshalle zu verteilen. Versuche, mit den übrigen
Fluggästen der Maschine der Turkish-Airlines, mit der der Kurde abgeschoben
wurde, ins Gespräch zu kommen, seien gescheitert. Die vorwiegend türkischen
Passagiere hätten diesen Schritt durchaus berechtigt gefunden. Tenor
der Reaktionen der übrigen Fluggäste sei gewesen, die politische
Situation in der Türkei sei sicher bedenklich, aber »Straftäter
müssen raus«.
Birgit Gärtner, Hamburg