Ist eine Abschiebung wegen Geldspenden für die PKK rechtens?
Kampf um Abschiebeschutz in Deutschland/Bundesrichter prüfen
Kriterien
Von Uwe Kalbe
Während am Dienstag in Berlin das Bundesverwaltungsgericht über
Klagen von Kurden verhandelte, denen die Abschiebung wegen PKK-Unterstützung
droht, sind mehrere Abschiebungen bereits erfolgt, weitere stehen offenbar
unmittelbar bevor.
Darf ein Mensch in ein Land abgeschoben werden, in dem ihm von staatlicher
Seite Gewalt und Verfolgung drohen? Diese Frage, die vor Jahren von den
zuständigen Behörden noch mit einem klaren Nein beantwortet worden
wäre, beschäftigt seit gestern das Bundesverwaltungsgericht in
Berlin. Ein Urteil wurde für den 30. März angekündigt, es
wird den Charakter einer Grundsatzentscheidung tragen. Seit den Protesten
von Kurden nach der Entführung, von PKK-Chef Öcalan sind die
Rufe nach Abschiebung von »Terroristen« wieder lauter geworden.
Die Rechtslage ist strittig. Auch bei der allein juristischen Bewertung,
so zeigt sich, kommt es zu verschiedenen Bewertungen. Die Aussage des Vorsitzenden
Richters des 9. Senats, Friedrich Seebass, nach der Verhandlung läßt
das Bemühen um differenzierte Sicht erkennen: »Wir werden nicht
die pauschale Auffassung vertreten, die PKK ist eine terroristische Organisation
und wer diese unterstützt, kriegt kein Asyl«. Das Gericht muß
klären, ob bereits Spendenaktionen für die, PKK oder illegale
Demonstrationen eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik
begründen.
Erst in der letzten Woche hatte das Bundesverfassungsgericht dem Antrag
eines Kurden auf Anerkennung als Asylbewerber stattgegeben, die ihm von
den vorherigen Instanzen verweigert worden war. Zweifelsfrei stand bei
dem kurdischen Kläger fest, daß er die PKK unterstützt
hatte, zwei seiner Söhne in deren Reihen kämpften. Er, selbst
war in der Türkei verhaftet und gefoltert worden - für die Richter
Anhaltspunkte einer politischen Verfolgung.
Eine solche machen die meisten Asylbewerber geltend, eine Gewähr
für ihre Anerkennung ist dies nicht, nicht einmal für den Schutz
vor Abschiebung. Im Schatten der rigorosen Drohungen von Politikern, die
von Bundesaußenminister Otto Schily mit dem Hinweis auf Ausnahmen
bei Folterstaaten kaum abgemildert werden, sind Abschiebungen längst
geschehen, stehen weitere bevor.
So wurde der Fall eines 17jährigen in Berlin bekannt, der unter
dem Vorwand einer Anhörung am Morgen des 1. März von drei Beamten
in Zivil aus der Wohnung seiner Freundin abgeholt wurde und bereits vier
Stunden später im Flugzeug nach Istanbul saß. Nach seiner Ankunft
wurde Murat G. vier Stunden verhört und dabei auch geschlagen, wie
er später telefonisch seiner bangenden Freundin in Berlin mitteilte.
Auch er hatte in seinem abgelehnten Asylantrag geltend gemacht, in der
Türkei wegen, PKK-Unterstützung gefoltert worden zu sein. Hinzu
kommt in seinem Fall, daß er als 17jähriger den besonderen Abschiebeschutz
von Minderjährigen genießen müßte.
Zwischen der Ablehnung als Asylbewerber und Abschiebung liegen jedoch
juristische Hürden. Selbst im Fall einer Ausweisung kann die Abschiebung
nicht ohne weiteres vollzogen werden. Im Paragraphen 51, Absatz 1 des Ausländergesetzes
heißt es. »Ein Ausländer darf nicht in einen Staat
abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner
Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu
einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung
bedroht ist. « Dann tritt das sogenannte kleine Asyl in Kraft, das
einen Aufenthaltsstatus von geringerem Gewicht verschafft, wie etwa Duldung
oder Aufenthaltsbefugnis.
Auch Ausnahmen davon regelt das Ausländerrecht. Abschiebeschutz
besteht danach nicht, wenn von einer Person eine Bedrohung der inneren
Sicherheit in Deutschland ausgeht oder sie zu einer Haftstrafe von mindestens
drei Jahren verurteilt wurde. Im Absatz 3 des gleichen Paragraphen 51 heißt
es: »Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus
Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik
Deutschland anzusehen ist ... «. Während für Murat eine
solche Gefährdung nicht geltend gemacht werden kann - er beteiligte
sich gar nicht an den Kurdenprotesten - sind andere wegen dieser akut bedroht.
So verdankt Recep Öz" der sich am Dienstag bereits den 22. Tag
im Hungerstreik befand, nur seinem persönlichen Einsatz und der Hilfe
von deutschen Menschenrechtlern, daß er noch nicht abgeschoben wurde.
Nach den Protesten von Kurden in Berlin verhaftet, wurde er in die Abschiebehaft
in Büren verlegt, wo er inzwischen deutliche Zeichen des Hungerstreiks
trägt. Kreislaufschwächen und Muskelkrämpfe häufen
sich, für umso unverantwortlicher halten seine Unterstützer eine.
Abschiebung. Am Montag morgen legte die Ausländerbehörde Recep
Öz ein Schriftstück zur Unterschrift vor, auf dem er nach einer
Abschiebung einer Benachrichtigung des Menschenrechtsvereins IHD zustimmen
sollte. Höchster Alarm bei seinen Unterstützern. Die scheinbare
Sorge um seine Rechte hätte immerhin beinhaltet, daß er den
Bedingungen der Abschiebung zustimmt, die er gerade vermeiden will. Er
verweigerte die Unterschrift mit dem Hinweis darauf, daß die Mitarbeiter
des IHD derzeit selbst massiver Verfolgung ausgesetzt sind. Derzeit verhindert
offenbar eine an den Landtag in Düsseldorf gerichtete Petition noch
die Abschiebung.
Möglicherweise bedeutet der Spruch des Bundesverwaltungsgerichts
Ende März eine Stärkung seiner rechtlichen Position. Darauf dürften
auch jene beiden kurdischen Flüchtlinge hoffen, die am Montag einen
Hungerstreik, ebenfalls in Bürener Abschiebehaft, begannen. Sie waren
kurz zuvor aus dem seit einem Jahr im Rheinland anhaltenden Wanderkirchenasyl
heraus verhaftet worden.