Griechische Justiz klagt Öcalan und 17 Helfer an
Wegen illegaler Einreise des PKK-Chefs - Spannungen mit der Türkei
verschärft Kurdenführer in guter Verfassung
Athen/Ankara (AP) Wegen illegaler Einreise und Beihilfe dazu hat die
griechische Justiz am Donnerstag den PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan
und 17 seiner Helfer angeklagt. Gegen den Chef der Kurdischen Arbeiterpartei
(PKK) lautet die Anklage nach Angaben der Staatsanwaltschaft auf illegale
Einreise und Besitz falscher Dokumente. Die Namen der anderen Angeklagten
wurden nicht genannt, doch handelt es sich dabei nach Angaben aus Justizkreisen
um den Abgeordneten Kostas Badouvas, Exmarineoffizier Antonis Naxakis sowie
zwei Frauen, die Öcalan in Griechenland beherbergt hatten, einige
Polizisten und Grenzbeamte sowie die Besatzung des Privatflugzeugs, das
den PKK-Chef nach Griechenland brachte.
Möglicherweise würden auch die ehemaligen Minister Theodoros
Pangalos, Philippos Petselnikos und Alexandros Papadopoulos angeklagt,
die wegen der Affäre Öcalan zurückgetreten waren, hieß
es in Athen weiter. Die Staatsanwaltschaft habe die Ergebnisse ihrer Ermittlungen
jedenfalls dem Parlament zugeleitet, das allein über eine Anklage
gegen die drei entscheiden könne. Doch sagte Regierungssprecher Dimitris
Reppas am Donnerstag, die Regierung sei gegen eine Anklage der Minister,
weil sie in politischem Auftrag gehandelt hätten.
Öcalan war am 29. Januar - offenbar ohne Wissen von Ministerpräsident
Konstantinos Simitis - auf Betreiben von Badouvas und Naxakis nach Griechenland
eingereist und Tage später in die griechische Botschaft nach Kenia
gebracht worden. Bei seiner offenbar vom kenianischen Geheimdienst erzwungenen
Ausreise war Öcalan dann am 15. Februar türkischen Agenten übergeben
und in die Türkei gebracht worden. Die Affäre hatte die griechische
Regierung in außenpolitische Schwierigkeiten gebracht und das ohnehin
gespannte Verhältnis zur Türkei weiter verschärft.
Am Mittwoch war die griechische Luftwaffe mehrere Minuten in höchste
Alarmbereitschaft versetzt worden, nachdem türkische Kampfflugzeuge
den griechischen Luftraum über der Ägäis verletzt hatten.
Verteidigungsminister Akis Tsochatsopoulos sagte am Donnerstag: «Die
Grenzen der akzeptablen und normalen Konfrontation sind ausgeschöpft.»
Noch am Donnerstag wurde ein Gesandter des US-Außenministers, Thomas
Miller, in Athen erwartet. Er will mit der Regierung die Spannungen mit
der Türkei erörtern.
Unterdessen erklärte Öcalans Anwalt Ahmet Zeki Okcuoglu,
seinem Mandanten gehe es körperlich und geistig gut. Er werde zweimal
pro Tag von einem Arzt untersucht, sagte Okcuoglu nach einem Besuch auf
der Gefängnisinsel Imrali. Gerüchte, wonach er einen Herzanfall
erlitten habe, seien von Öcalan selbst dementiert worden.
AP, 11.03.1999, 14:21
Prominente fordern Freilassung von PKK-Chef Öcalan
Kein faires Verfahren in der Türkei gewährleistet
Bonn (AP) Prominente Vertreter der Internationalen Initiative «Freiheit
für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan» haben die Freilassung
des inhaftierten PKK-Führers gefordert. Der israelische Schriftsteller
und Friedensaktivist Uri Avnery und die Witwe des ehemaligen französischen
Staatspräsidenten, Danielle Mitterrand, riefen am Donnerstag in Bonn
die internationale Staatengemeinschaft dazu auf, sich für ein rechtsstaatliches
Verfahren gegen Öcalan vor einem internationalen Gerichtshof einzusetzen.
In ihrem Appell forderten sie weiter die Entsendung einer internationalen
Beobachterdelegation in Begleitung einer unabhängigen Ärztedelegation
sowie die Einberufung einer Internationalen Kurdistan-Konferenz. Die Türkei
müsse unverzüglich den Krieg gegen die Kurden einstellen und
mit der kurdischen Seite in Dialog treten.
Avnery betonte, der Kampf der Kurden sei legitim und erlaube die Anwendung
von Gewalt. Die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) sei durchaus mit den jüdischen
Untergrundorganisationen in Palästina in den 40er Jahren vergleichbar,
die nach dem Zweiten Weltkrieg mit Gewalt und Terror für die Gründung
eines jüdischen Staates gekämpft hätten.
Der Hamburger Völkerrechtler Norman Paech kritisierte, kurdische
Veranstaltungen fänden in Deutschland nahezu unter Ausschluß
der Öffentlichkeit statt. Kurdische Aktivisten würden dadurch
regelrecht zu gewalttätigen Aktionen gezwungen, um auf ihr Anliegen
aufmerksam zu machen. Mitterrand fügte hinzu, die Weltgemeinschaft
habe alle Möglichkeiten, in den Konflikt einzugreifen und ihn zu beenden.
Sie müsse nur endlich handeln.
AP, 11.03.1999, 10:17
Bisher unbekannte kurdische Gruppe bekennt sich zu Anschlägen
Bombenattentate in Istanbul
Istanbul (AP) Eine bisher unbekannte kurdische Organisation hat sich
zu den Bombenanschlägen in Istanbul vom Mittwoch bekannt. Die Zeitung
«Hürriyet» berichtete am Donnerstag, ein Bekenneranruf
der Nationalistischen Kurdischen Rachegruppe sei eingegangen. «Von
jetzt an wird kein Türke mehr in Frieden schlafen», habe der
Anrufer gesagt. Die Organisation könnte eine Abspaltung der
Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) sein, deren Führer Abdullah Öcalans
in einem türkischen Gefänis sitzt. Andere Zeitungen berichteten,
die linksgerichtete Türkische Arbeiter- und Bauernbefreiungsarmee
habe sich zu den Anschlägen bekannt.
Zwei Bomben explodierten innerhalb von wenigen Stunden am Mittwoch
im Istanbuler Stadtteil Bakirköy. Wie die halbamtliche Nachrichtenagentur
Anatolia meldete, war der zweite Sprengsatz in einem Auto versteckt, das
auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums abgestellt war. Der Agentur zufolge
wurde niemand verletzt. Bei der ersten Bombenexplosion am Mittag wurde
ein Mensch getötet, acht weitere Personen wurden verletzt. Die Explosion
ereignete sich vor einer Klinik nur wenige Meter von einem belebten Einkaufszentrum
entfernt.
AP, 10.03.1999, 17:26
UN-Ausschuß «zutiefst alarmiert» über Diskriminierung
von Kurden
Genf (AP) Der UN-Ausschuß zur Abschaffung von Rassendiskriminierung
hat sich am Mittwoch «zutiefst alarmiert» über Menschenrechtsverletzungen
an den Kurden geäußert. Die 18 Mitglieder des Ausschusses veröffentlichten
eine gemeinsame Erklärung, in der sie ihre Besorgnis über die
Unterdrückung der Gundrechte und der Identität der Kurden als
eigenständige Volksgruppe zum Ausdruck brachten.
Den Kurden müsse - wo auch immer sie sich aufhielten - ermöglicht
werden, in Würde zu leben und ihre Kultur zu bewahren sowie «ein
angemessenes Maß an Autonomie» zu genießen. Der Ausschuß
ist derzeit damit beschäftigt, Maßnahmen zum Kampf gegen Diskriminierung
seitens einiger der 150 Staaten zu überarbeiten, die sich 1969 in
der Internationalen Konvention zur Abschaffung aller Formen von Rassendiskriminierung
zusammengeschlossen haben. Die Türkei, in deren Südosten die
Kurden ihre Autonomie fordern, trat der Konvention nicht bei. Dem Kampf
zwischen der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) und türkischen Regierungstruppen
fielen in den vergangenen 15 Jahren rund 37.000 Menschen zum Opfer.