Offener Terror in der Türkei
BRD-Delegation bestätigt Mißhandlungen abgeschobener
Kurden
Mitglieder einer deutschen Menschenrechtsdelegation haben am Mittwoch
bestätigt, daß in weiten Teilen der Türkei seit der Festnahme
des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan ein »Klima massiven Terrors«
herrscht. Tausende Kurden und Oppositionelle seien in den vergangenen Wochen
festgenommen und ins Gefängnis geworfen worden, berichtete die Gruppe
vor Journalisten in Göttingen. Die Delegation war Anfang März
in die Türkei gereist, um Gespräche mit Menschenrechtsorganisationen
und Anwälten zu führen sowie Kundgebungen und Prozesse zu beobachten.
In den Konfliktgebieten im Südosten des Landes, aber auch in Ankara
und Istanbul würden Kundgebungen »mit brutaler Gewalt erstickt«,
sagte der Übersetzer der Delegation, Reimar Heider. Soldaten und Polizisten
hätten zahlreiche Büros der pro-kurdischen Partei HADEP verwüstet
und Funktionäre und Mitglieder der Organisation verhaftet. Auch gegen
Zeitungen und Kulturzentren gingen sie vor. »Wegen der drohenden
Repression und Folter hatten viele Menschen Angst, uns auch nur die Hand
zu schütteln.« Fast alle aus Deutschland und anderen Ländern
in die Türkei abgeschobenen Kurden würden weiterhin »routinemäßig
mißhandelt«, sagte Heider. Dies habe der türkische Menschenrechtsverein
IHD der Gruppe bestätigt. Wegen der Proteste im Ausland hätten
die Behörden allerdings »ihre Taktik geändert«. Anstatt
direkt bei der Einreise würden die Flüchtling jetzt meist erst
in ihren kurdischen Heimatorten »weitab von jeder Öffentlichkeit«
festgenommen.
Der im vergangenen November von Hannover aus abgeschobene Kurde Mehmet
Özcelik sei so schwer mißhandelt worden, daß er immer
noch im Krankenhaus behandelt werden müsse, sagte Heider. Einen anderen
kurdischen Flüchtling habe die türkische Armee unmittelbar nach
seiner Rückkehr aus Deutschland zum Militär eingezogen. Dort
sei der Mann heftigen Schikanen ausgesetzt. »Der IHD hat uns erklärt,
daß viele Kurden in der Armee bei der Grundausbildung zu Tode geprügelt
werden oder bei vorgetäuschten Unfällen ums Leben kommen«,
sagte Heider. In der kurdisch-türkischen Stadt Diyarbakir war die
Delegation am vergangenen Freitag vor dem Gerichtsgebäude festgenommen
und stundenlang von der Polizei verhört worden. Fünf der sieben
Mitglieder hätten anschließend nach Istanbul zurückfliegen
müssen, sagte die Göttinger Studentin Pia Rünger. Nur der
Mutter der in der Türkei wegen PKK-Mitgliedschaft zu fünfzehn
Jahren Haft verurteilten Hamburgerin Eva Juhnke und einem Übersetzer
sei erlaubt worden, in die Stadt Batman weiterzureisen, wo Juhnke inhaftiert
ist. »Die türkischen Behörden weisen derzeit alle Ausländer
aus den kurdischen Gebieten aus«, sagte Reimar Heider. Auch Abgeordneten
des Europäischen Parlaments sei vergangene Woche die Weiterreise verweigert
worden. Diese Maßnahme stehe vermutlich im Zusammenhang mit den Feiern
zum kurdischen Newroz-Fest am kommenden Wochenende. Es stehe zu befürchten,
daß die Sicherheitskräfte »ein Blutbad« unter kurdischen
Demonstranten anrichten würden, »und da sind internationale
Beobachter unerwünscht«.
Reimar Paul