Von Stefan Ehlert
BERLIN, 28. März. In zahlreichen deutschen Städten kam es
am Wochenende zu Demonstrationen und Protestkundgebungen gegen den Nato-Angriff
auf Jugoslawien.
In Berlin versammelten sich am Sonnabend rund 5 000 Menschen und protestierten
gegen den Krieg. Die PDS, die zu der Veranstaltung aufgerufen hatte, sprach
von 20 000 Teilnehmern. Auch einige hundert Serben und serbisch-stämmige
Jugendliche waren erschienen. Einige hatten sich die serbische Königsfahne
umgelegt, andere schwenkten die rot-weiß-blaue Fahne Serbiens und
riefen „Nato raus“. Manche zeigten Plakate, auf denen der serbische Diktator
Milosevic zu sehen war.
Als einer der Hauptredner trat der Vorsitzende der PDS-Fraktion im
Bundestag, Gregor Gysi, auf. Er nannte die Nato-Luftangriffe einen Verstoß
gegen das Völkerrecht, gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
und gegen den Nato-Vertrag, der militärisches Eingreifen nur für
den Verteidigungsfall vorsehe. „Wenn die Logik der Nato stimmt, dann hätte
die Türkei schon längst bombardiert werden müssen“, sagte
Gysi in Anspielung auf die Lage der Kurden in der Ost-Türkei.
Am Ende der Kundgebung drohten schwere Ausschreitungen zwischen der
Bereitschaftspolizei und serbischen Demonstranten, die die Beamten als
Nazis und Faschisten beschimpften. Als Polizisten einen Demonstranten festnehmen
wollten, weil er auf einem Plakat ein Hakenkreuz und den US-Präsidenten
Clinton zeigte, kam es zu Rangeleien.
Demonstrationen europaweit
Eine aufgebrachte Gruppe von etwa 150 Serben zog kurz darauf auf der
Straße Unter den Linden bis zur US-Botschaft. Polizisten drängten
die zumeist jungen Leute zurück. Daraufhin ging die Gruppe zur nahegelegenen
Vertretung der Russischen Föderation. „Russia, Russia“, riefen die
Demonstranten. Erst nach einer Stunde löste sich die spontane Kundgebung
auf.
Insgesamt wurden am Sonnabend bei den Demonstrationen in Berlin 15
Menschen vorläufig festgenommen, zumeist jugoslawische Staatsangehörige.
Ihnen drohen Verfahren wegen Landfriedensbruchs, Widerstands gegen die
Staatsgewalt und gefährlicher Körperverletzung. Acht Polizisten
wurden leicht verletzt.
In Stuttgart zogen rund 4 000 Menschen durch die Straßen und
riefen antiamerikanische Parolen. Redner auf einer Kundgebung kritisierten
die deutsche Beteiligung an den Luftangriffen. Etwa 1 500 Serben demonstrierten
in der Nürnberger Innenstadt und verurteilten die Bombardements als
Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Auf Transparenten hieß es: „Deutschland
schäm Dich“. In Deutschland lebende Serben protestierten auch in Hamburg,
Hannover, Bremen und Bielefeld.
20 000 Teilnehmer zählte die Polizei bei Demonstrationen in Italien.
Der größte Protestzug formierte sich in Mailand, wo junge Leute
vor dem US-Konsulat Rufe wie „Yankee go home“ skandierten. Protestierende
Serben in London hängten eine Puppe auf, die US-Präsident Bill
Clinton als Hitler darstellte. In Den Haag zogen meist junge Menschen mit
Kerzen in den Händen vor den Friedenspalast der Stadt. In Wien kamen
mehrere tausend Menschen vor der US-Botschaft zusammen. (mit AP)