Die »Stimme Kurdistans« schweigt
Verbot für kurdisches Med-TV. Proteste gegen Schließung
des Senders
Schon seit einer Woche darf die »Stimme Kurdistans« nicht
mehr senden. Das kurdische Satellitenfernsehen Med-TV mit Sitz in London
wurde von der Independent Television Commission ITC mit einem Sendeverbot
belegt, da es »zu Gewalt und Verbrechen aufgerufen habe«. Nach
der Verschleppung des PKK-Vorsitzenden Öcalan in die Türkei hatten
PKK-Kommandanten in Interviews mit dem kurdischen Sender zu einer Verschärfung
des Befreiungskampfes gegen den türkischen Staat aufgerufen.
Sicherheitskreise beschuldigen Med-TV zudem, mit seinen Meldungen die
weltweiten militanten Proteste und Botschaftsbesetzungen von PKK-Anhängern
gesteuert zu haben. Die ITC in London will innerhalb der nächsten
drei Wochen prüfen, ob Med-TV dauerhaft geschlossen wird.
Tausende Kurden protestierten in den letzten Tagen in mehreren europäischen
Ländern und den USA gegen die Schließung des Senders, der neben
türkisch und arabisch auch in allen drei kurdischen Dialekten sendet.
Für viele Kurden ist Med-TV die einzige Möglichkeit, tägliche
Informationen direkt aus den Kriegsgebieten in ihrer Heimat zu erhalten.
»Wir haben noch kein eigenes Land, aber Med-TV macht uns zu einer
imaginären Nation im Äther«, so ein Kurde über die
Bedeutung des Senders.
Die türkische Regierung hatte schon lange versucht, den seit 1995
aktiven Sender, der täglich bis zu 30 Millionen Menschen im Nahen
Osten und in Europa erreichte, zu stoppen. Von diplomatischen Drohungen
gegen europäische Staaten, in denen sich Med-TV-Studios befinden,
bis hin zum massiven Einsatz von Störsendern reichten die Mittel.
Daß die britischen Kontrollbehörden sich gerade jetzt dem türkischen
Wunsch fügen, scheint kein Zufall. Der Prozeß gegen Abdullah
Öcalan wird bald beginnen, und in der Türkei herrscht Wahlkampf.
Die Existenz eines unabhängigen Senders, in dem neben den kurdischen
Parteien auch die linke türkische Opposition eine Bühne findet,
ist eine Gefahr für die Militärdiktatur.
Nick Brauns