Die Entführung Abdullah Öcalans war ein terroristischer
Akt. Die SPD ist als Regierungspartei an diesem Verbrechen beteiligt, auch
wenn sie ihre Mitverantwortung daran, daß der Vorsitzende der kurdischen
Arbeiter/innen Partei Abdullah Öcalan in die Hände der türkischen
Folterer gefallen ist, bestreitet.
Die Initiative zur Anerkennung Abdullah Öcalans als Repräsentanten
des kurdischen Volkes und zum Beginn eines Dialogs wurde von den europäischen
Regierungen und auch von der SPD ignoriert. Statt ihn in die BRD einzuladen
und ihm hier Asyl zu gewähren, wurde an einem Haftbefehl gegen ihn
festgehalten.
Das türkische Militärregime hätte seine Macht nach dem
Militärputsch 1980 nicht ausbauen und halten können, wenn die
BRD -auch unter der SDP-Regierung- nicht eine so massive Stütze wäre:
Die deutsche Wirtschaft liefert Waffen und militärisches Material,
wie zum Beispiel die Kriegsfregatte der Hamburger Werft Blohm und Voss.
Die deutsche Regierung leistet Finanzhilfen in Milliardenhöhe, zum
Beispiel Bürgschaften für Militärtransporter von Daimler
Benz. Die deutsche Justiz und Polizei unterdrückt die kurdische Exilopposition
mit Vereinsschließungen, Prozessen gegen kurdische ExilpolitikerInnen,
Betätigungsverboten, zusammengefaßt unter dem sogenannten "PKK-Verbot".
Das deutsche Militär bildet türkische Offiziere u.a. an der Hamburger
Führungsakademie der Bundeswehr aus. Die deutschen Behörden schieben
Verfolgte in die Hände der Folterer ab, allein in Hamburg mindestens
sieben Kurden seit dem 16.2.`99. Somit trägt die SPD als Regierungspartei
die direkte Mitverantwortung für den Völkermord in Kurdistan
und die Gewaltherrschaft der türkischen Militärs. Sie stellt
die Wirtschaftsinteressen über das Lebensrecht der Menschen in Kurdistan
und macht sich damit zur Handlangerin der kolonialfaschistischen türkischen
Regierung. Als Regierungspartei trägt sie eine Mitverantwortung für
die Flucht von Millionen KurdInnen nach Europa. Wenn der Bundeskanzler
Schröder diese KurdInnen als „Gäste“ in diesem Land bezeichnet,
die „das Gastrecht mißbrauchen“, ist das mehr als zynisch. Die Menschen,
die vor dem Vernichtungskrieg in Kurdistan hierher geflohen sind und Verwandte,
FreundInnen und NachbarInnen dort zurücklassen mußten, haben
das Recht, sich hier für ihre einzige Hoffnung, den Befreiungskampf
und ihren selbstgewählten Vertreter, Abdullah Öcalan, einzusetzen.
Und sie haben das Recht, auch die Verantwortlichen hier zur Rechenschaft
zu ziehen.
Am 17. Februar besetzten kurdische Jugendliche ein Stockwerk des Kurt-Schumacher
Hauses, der Parteizentrale der SPD in Hamburg. Damit haben sie sich an
die Verantwortlichen hier in Hamburg gewandt.
Ziel der jugendlichen Besetzer war es, eine Stellungnahme der SPD Hamburg
zu der Entführung Abdullah Öcalans zu bekommen. Erst als vor
dem SPD-Gebäude die Polizei auf UnterstützerInnen einknüppelte
und Wasserwerfer einsetzte, begannen die Jugendlichen, Akten und Bürogeräte
aus dem Fenster zu werfen. Die Verantwortung für die Eskalation liegt
also eindeutig bei der Polizei.
Medien und PolitikerInnen begannen umgehend mit einer extrem rassistischen
Hetze. Schon am Nachmittag des 17.2. wurde die sogenannte "Geisel" der
Besetzer der SPD-Zentrale, der Kreisgeschäftsführer der SPD Hamburg-Mitte,
Dirk Sielmann, in den Medien als Held gefeiert. Aber Dirk Sielmann ist
nicht der nette Nachbar aus dem Karoviertel, wie uns die Hamburger Medien
glauben machen wollen ("Der Kurden Terror in Hamburg",MOPO vom 18.3.`99),
sondern als Kreisgeschäftsführer Funktionsträger der Partei,
die mitverantwortlich für den Krieg in Kurdistan ist. Er steht somit
auf der Seite der Aggressoren und nicht die jugendlichen Besetzer. Der
Widerstand der KurdInnen gegen die Entführung Abdullah Öcalans
wird in die Geschichte der Medien als "Kurdenkrawalle" eingehen. Auf einmal
waren "die Kurden" Thema Nummer eins in denselben Medien, die jahrelang
Dialogbemühungen, friedliche Demonstrationen und Kulturfeste weitgehend
ignoriert hatten. Das berechtigte Anliegen der Kurdinnen und Kurden wurde
diffamiert: Kein Wort wurde über den Grund der Besetzung oder die
Forderungen der KurdInnen laut.
Gegen Abend wurde einem Teil der Besetzer, nach zähen Verhandlungen
mit der Polizei, freier Abzug gewährt. Fünf Jugendliche, die
an der Besetzungsaktion beteiligt waren, und vier Erwachsene, die sich
im Gebäude aufhielten, wurden in Haft genommen. Inzwischen wurde ein
Teil wieder entlassen, zwei der Erwachsenen sind jedoch nach wie vor im
Knast. Es wurden Ermittlungsverfahren wegen „schwerem Landfriedensbruch,
Geiselnahme, Verstoß gegen das Vereinsgesetz, Sachbeschädigung
und Hausfriedensbruch“ eingeleitet.
Die Polizei begann mit einer Serie von Razzien bei KurdInnen, die angeblich
an der Aktion beteiligt waren. Einige Jugendliche wurden daraufhin verhaftet.
Bei Demonstrationen in den letzten Tagen filmten Polizeikräfte Personen
ab, um sie später drangsalieren zu können. Besonders eklatant
war dieses Vorgehen nach der Newrozdemonstration am 22.3.`99. Nachdem die
DemonstrantInnen die Abschlußkundgebung am Sternschanzenpark verließen,
wurden einzelne von Polizeikräften gezwungen, ihre Personalien vorzuzeigen.
Begründet wurde dieses Vorgehen damit, sie hätten mit „den Kurdenkrawallen
am 16.2.“ u tun.
KurdInnen, die in diesem Zusammenhang festgenommen werden, drohen hohe
Haftstrafen oder die Abschiebung in Folter und Tod. Viele KurdInnen sind
von dem Polizeiterror in der Türkei traumatisiert. Vor diesem Hintergrund
müssen Verzweiflungstaten, wie die des Jugendlichen, der nach der
Newrozdemo in einem vollbesetzten Bus von der Polizei gestellt wurde, gesehen
werden. Der Jugendliche hatte laut Presseberichten "eine Geisel genommen,
um sich der Verhaftung zu entziehen". In der Welt vom 23.3.`99 wird er
als „PKK-Aktivist“ bzw. „gewaltbereites Mitglied der PKK" bezeichnet. Solche
Behauptungen sollen die PKK weiter kriminalisieren und vorgaukeln, sie
würde solche Taten gutheißen oder gar befehlen. Schon in der
Spätnachrichtensendung, kurz nach seiner Festnahme, wurden Bilder
eines Jugendlichen im Fernsehen gezeigt, die angeblich ihn bei der SPD-Besetzung
und bei der Newroz-Demonstration zeigen. Das beweist, daß diese gemeinsame
Hetzaktion von Presse und Polizei vorbereitet war, um wieder mal einen
„durchgeknallten“ und „gewaltbereiten“ Kurden zu präsentieren. Der
Jugendliche wurde bewußt in eine solche Situation getrieben und als
Gewalttäter in den Medien präsentiert, um das Bild des "Terror-Kurden"
weiter in den Köpfen zu zementieren und die Beteiligung an dem Völkermord
an den KurdInnen zu rechtfertigen.
Kurdinnen und Kurden sollen in der BRD soweit eingeschüchtert
werden, daß sie für ihre legitimen Rechte nicht mehr auf die
Straße gehen. Der kurdische Sender Med-TV darf nicht mehr senden.
Der Hamburger Innensenator Wrocklage war der erste deutsche Politiker,
der diese Forderung erhob. "Hamburgs Innensenator fordert Verbot von Hetz-Sender"
(Hamburger Abendblatt vom 26.2.`99). Der Artikel bezieht sich auf eine
Pressemitteilung der Innenbehörde vom 25.2.99, in der Wrocklage in
Bezug auf Med-TV als "Propaganda-Sender" spricht und erklärt, was
er eigentlich erreichen will: "Die deutschen Innenminister und -senatoren
[werden] die Partei (die PKK, anm. d. Verf.) und ihre Strukturen mit aller
Konsequenz bekämpfen." Auch die Tageszeitung Özgür Politika
und die kurdische Nachrichtenagentur DEM sind von Schließung bedroht.
Jede oppositionelle Stimme gegen den Völkermord in Kurdistan, jede
Stimme, die über den Befreiungskampf berichtet, soll zum Schweigen
gebracht werden. Das "PKK-Verbot" dient als Hebel, um die Stimme der KurdInnen
hier zu ersticken, eine Solidarisierung zu verhindern und die Kriminalisierung
der kurdischen Bevölkerung zu legitimieren.
Die Aktionen in der BRD gegen die Verhaftung Abdullah Öcalans
waren und sind absolut gerechtfertigt. Die einzigen Opfer am 16. und 17.
Februar waren Kurdinnen und Kurden. Außer ihnen wurde niemandem Gewalt
angetan. Die vier Toten in Berlin waren KurdInnen. Auch für ihren
Tod trägt die SPD die Mitverantwortung.
Die Gefangenen, die bei den bundesweiten Aktionen festgenommen wurden,
müssen freigelassen werden, alle Verfahren müssen eingestellt
werden. Der Terror geht nicht von den KurdInnen aus, sondern von den Handlangern
des türkischen Folterstaates.
Wir rufen dazu auf, Stellung zu beziehen, die Kriminalisierung des
kurdischen Widerstandes nicht länger zu ignorieren und sich dafür
einzusetzen, daß die Hetze und Diffamierung gegen die Kurdinnen und
Kurden aufhört
Wer schweigt, macht mit