Demonstrationen - Grundsatzurteile des Bundesverwaltungsgerichts Von AP-Korrespondentin Verena Schmitt
Berlin (AP) Das Bundesverwaltungsgericht hat den Forderungen nach schneller
Abschiebung von Teilnehmern der PKK-Krawalle einen Dämpfer versetzt.
Zwar
entschied es am Dienstag in Berlin, daß Funktionäre der
verbotenen kurdischen Arbeiterpartei als Organisatoren des Terrors in Deutschland
nicht auf Asyl oder
besonderen Abschiebeschutz pochen können. Bei einfachen PKK-Sympathisanten
wird die Sache hingegen komplizierter: Sie können bei Gefahr der politischen
Verfolgung durchaus Schutz vor Abschiebung genießen, auch wenn
sie an gewalttätigen Demonstrationen oder Blockaden teilgenommen haben.
Mit drei Grundsatzurteilen machten die Bundesrichter des 9. Senats ihre
Ankündigung wahr, differenziert über das Asylrecht im Grundgesetz
und den
Abschiebeschutz laut Ausländergesetz zu entscheiden. Nach dessen
Paragraph 51 genießen abgelehnte Asylbewerber Schutz vor Abschiebung,
wenn sie wegen
ihrer Aktivitäten in Deutschland von politischer Verfolgung bedroht
wären. Diesen Schutz verlieren sie nur, wenn sie «aus schwerwiegenden
Gründen eine Gefahr für
die Sicherheit der Bundesrepublik» darstellen.
Daß ein als Terrorist verurteilter PKK-Kader, der unter anderem
«Parteihaft» brutal gegen abtrünnige Mitglieder durchsetzte,
in Deutschland keinen besonderen
Schutz vor politischer Verfolgung beanspruchen kann, daran ließen
die Bundesrichter keinen Zweifel. Dagegen spreche schon der «Terrorismusvorbehalt»,
wie ihn
das Bundesverfassungsgericht formuliert hat: Wer in Deutschland nicht
Schutz sucht, sondern nur einen sicheren Raum für seine terroristische
Aktivität braucht, der
kann kein Asyl bekommen.
Spannender, so sahen es auch die Prozeßbeobachter von Amnesty
International und dem UN-Flüchtlingskommissariat, war der Fall eines
«kleinen Rädchens» in der
PKK-Struktur: eines Spendeneintreibers. Aber auch bei ihm sahen die
Bundesrichter eine solche Bedeutung für die insgesamt als terroristisch
bewertete
Kurdenpartei, daß sie ihn als Gefahr für die innere Sicherheit
einstuften und besonderen Schutz verwehrten. «Ohne die Mitwirkung
dieser Funktionärsschicht wären
die Aktivitäten der PKK nicht möglich», erklärte
der Vorsitzende Richter Friedrich Seebass.
Grenzen der Sicherheitsinteressen
Im dritten Fall, der Bedeutung für Tausende Teilnehmer an den Kurdenkrawallen
haben könnte, machte das Gericht hingegen klar, wo die Sicherheitsinteressen
der
Bundesrepublik enden. Es gewährte Abschiebeschutz für einen
Kurden aus Süddeutschland, obwohl er regelmäßig für
die PKK gespendet und auch an illegalen
Aktionen teilgenommen hatte. Dazu zählte eine Demonstration mit
Steinwürfen vor einem Konsulat und eine Straßenblockade.
Es sei nicht zu erkennen, daß der Mann persönlich eine Gefahr
für die innere Sicherheit der Bundesrepublik darstelle, sagte Seebass.
Die Folgen der Abschiebung
seien bei Gefahr der politischen Verfolgung so schwerwiegend, daß
die Einschränkung des Schutzes eng ausgelegt werden müsse. Der
Betroffene sei «ein aktiver
Sympathisant (der PKK), mehr nicht», sagte Seebass. Das Bundesgericht
hob ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf.
Es verwies ausdrücklich darauf, daß auch die PKK-Funktionäre
weiter auf Duldung in der Bundesrepublik klagen können, und zwar wegen
Gefahr für Leib und
Leben bei Rückkehr in die Türkei. Dieser zusätzliche
Schutz im Ausländergesetz soll Abschiebung in den möglichen Tod
verhindern.
(Aktenzeichen BVerwG 9 C 22.98, 9 C 31.98, 9 C 23.98 - Urteile vom 30.
März.)
(yahoo, 30.3.99)