Türken verbitten sich Vergleich Kosovo und Kurden-Konflikt
Istanbul (dpa) - Der russische Botschafter in Ankara, Alexander Lebedew,
traf die Türken an einer besonders empfindlichen Stelle. Das türkische
Massenblatt «Sabah» zitierte ihn am Sonntag mit dem Vergleich
zwischen dem Separatismus in Kosovo und kurdischem Separatismus in der
Türkei und der Frage: «Warum soll das eine richtig und das andere
falsch sein?»
Die Türken verbitten sich solche Vergleiche kategorisch. Führende
Diplomaten in Ankara argumentieren, Jugoslawien sei «eine Bundesrepublik
mit Staaten im Staate». Kosovo habe ein aus der Vergangenheit stammendes
Recht auf Autonomie. Die vor 75 Jahren gegründete türkische Republik
hingegen sei «unitär». Darüberhinaus hätten
Kurden «gleiche Rechte, Chancen und Pflichten im Rahmen der Gleichberechtigung
aller ethnischen Minderheiten» im Gegensatz zu der im Kosovo überwältigenden
Mehrheit von moslemischen Albanern. Die türkische Öffentlichkeit
steht geschlossen hinter dem Luftkrieg der Nato gegen Ziele in Jugoslawien.
Staatspräsident Süleyman Demirel lobte das Vorgehen der Nato
als «notwendigen Beweis der Abschreckungskraft der internationalen
Gemeinschaft». Allerdings wünschen sich die Türken ein
baldiges Ende der Nato- Militäraktion. Laut vorgetragen wurde dieser
Wunsch bislang nur von Ministerpräsident Bülent Ecevit, der große
Probleme im Falle eines Bodenkrieges für türkische Truppen voraussagt.
Was nämlich allgemein befürchtet wird, brachte der Chefkolumnist
von «Hürriyet», Oktay Eksi, zum Ausdruck: In der Nato
werde immer öfter und lauter gesagt, im Falle eines Bodenkrieges gegen
jugoslawische Truppen werde man von den Erfahrungen der türkischen
Armee im Kampf gegen kurdische Separatisten in unwegsamen Bergregionen
profitieren.
Eksi kritisierte, der Westen habe in Friedenszeiten die Türkei
auf Distanz gehalten, um dann im Kriegsfall die Türken zuerst an eine
Front zu schicken, wo besonders hohe Verluste erwartet würden: «Wir
haben schon offiziell erklärt, daß wir zur Erfüllung jeder
Aufgabe bereit sind... Was internationalen Abkommen entsprechend zu tun
ist, sollten wir tun, aber so, daß auch wir unsere nationalen Interessen
im Auge behalten, so wie es die anderen machen.» Die Türken
wissen, daß ein Bodenkrieg gegen die Serben für sie aus historischen
Gründen besonders grausam verlaufen könnte. Die Serben haben
ihre vernichtende Niederlage in der Schlacht auf dem Amselfeld im Kosovo
im Jahr 1389 noch längst nicht vergessen, wo die Heere des damals
gerade 100 Jahre alten Osmanischen Reiches unter Führung von Sultan
Murad I. die christlichen Serben besiegten.