„Terroristen“ genießen kein Asyl
Bundesverwaltungsgericht verwehrt PKK-Funktionären der Führungsebene
Asyl und Abschiebeschutz. CDU will nun Abschiebeschutz auch für einfache
PKK-Mitglieder abschaffen
Berlin (AP) - Funktionäre der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei
PKK genießen wegen Mitarbeit in einer Terrororganisation kein Asyl.
Auch einen Abschiebeschutz wegen politischer Verfolgung können sie
nicht in Anspruch nehmen. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht gestern
in einem Grundsatzurteil.
In einer weiteren, gleichfalls gestern ergangenen Entscheidung billigten
die obersten Verwaltungsrichter allerdings einfachen PKK-Sympathisanten
zu: Wegen einer bloßen Teilnahme an illegalen Demonstrationen verlieren
sie ihren Abschiebeschutz nicht.
Mit seinen Entscheidungen legte das Gericht das im Grundgesetz verankerte
Asylrecht und den Paragraphen 51 des Ausländergesetzes aus. Danach
genießen auch abgelehnte Asylbewerber Schutz vor Abschiebung, wenn
sie wegen ihrer Aktivitäten in Deutschland in ihrer Heimat von politischer
Verfolgung bedroht wären. Diesen Schutz verlieren sie allerdings,
wenn sie „aus schwerwiegenden Gründen eine Gefahr für die Sicherheit
der Bundesrepublik“ darstellen.
Diese Gefahr sahen die Richter im Fall eines PKK-Spendeneintreibers
aus Süddeutschland und eines PKK-Gebietsverantwortlichen, also eines
Mitglieds des inneren Führungszirkels in Deutschland. Sie verwehrten
den Betroffenen Asyl und Abschiebeschutz. Obwohl der Grad der Verantwortung
unterschiedlich war, nahm das Gericht bei beiden Kurden an, daß sie
entscheidende Stützen für die verbotenen terroristischen Aktivitäten
der PKK seien.
„Ohne Mitwirkung dieser Funktionärsschicht wären die Aktivitäten
der PKK nicht möglich“, führte der Vorsitzende Richter Friedrich
Seebass zu dem Spendeneintreiber aus. Im Falle des vermeintlichen PKK-Führungsmitglieds
verwies Seebass auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts, wonach Terroristen
generell kein Asyl und keinen Abschiebeschutz genießen können.
Einem PKK-Sympathisanten aus Süddeutschland gewährten die
Bundesrichter hingegen Abschiebeschutz, obwohl er regelmäßig
für die verbotene Organisation gespendet und auch an illegalen Aktionen
teilgenommen hatte. Es sei nicht zu erkennen, daß der Mann aus schwerwiegenden
Gründen persönlich eine Gefahr für die innere Sicherheit
der Bundesrepublik darstelle, sagte der Richter.
Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag reagierte sofort auf das Grundsatzurteil.
Ihr innenpolitischer Sprecher Erwin Marschewski forderte, das Ausländerrecht
so zu ändern, daß auch Teilnehmer illegaler Versammlungen ausgewiesen
werden können.
Kommentar
Sippenhaft
Bundesverwaltungsgericht: PKK-Funktionäre haben keinen Anspruch
auf Asyl
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich gestern vom Asylrecht als individuellem
Grundrecht in einem weiteren Teilbereich verabschiedet. Es hat einen neuen
Pauschalsatz erfunden, mit dem Asylbegehren als „offensichtlich unbegründet“
abgewiesen werden können. Politisch Verfolgte genießen Asylrecht
- außer sie sind Funktionäre der PKK. Aus einer absoluten Ausnahme
vom ehemals unbeschränkten Schutz machten die Berliner Richter kurzerhand
eine Regel, die nun für eine ganze Gruppe von Verfolgten gelten wird.
Mit seiner lapidaren Begründung bestätigte das Gericht nicht
nur die Versagung von Asyl, sondern - erst einmal - auch den Schutz vor
Abschiebung in die Türkei. Der Kurde, dessen Aufenthalt in Deutschland
in Frage steht, stelle „aus schwerwiegenden Gründen eine Gefahr für
die Bundesrepublik Deutschland“ dar. Der Mann hatte keine Bomben geworfen.
Er hatte „Spenden“ für die PKK eingetrieben, Demonstrationen organisiert
und den Kontakt zur oberen Führungsebene aufrechterhalten.
Was er genau getan hat, war dem Gericht aber ohnehin egal. Ob er sich
an gewalttätigen Aktionen beteiligt hat, spielte für das Gericht
keine Rolle. Ihm reichte seine „Einbindung in die PKK als Funktionär
der unteren Organisationsebene“.
Daß in Deutschland das Asyl nach Töpfchen verteilt wird
und nicht nach individueller Gefährdung, ist nicht neu. Daß
es versagt wird, obwohl seine Voraussetzungen sonst zweifelsfrei feststehen,
unterscheidet diesen neuen groben Klotz aber von anderen, wie der Drittstaatenregelung.
Mit einem Grundrecht jedes einzelnen, wie es das Grundgesetz immer
noch vorsieht, hat das nichts mehr zu tun. Auch wenn die Kurden wegen drohender
Folter voraussichtlich nicht abgeschoben werden können - das Asylrecht
selbst ist noch dünner geworden, nicht nur für die PKK. Denn
die neue Regel mag genauso für die Tamil Tigers gelten oder für
rein türkische Organisationen wie Dev Sol.
Dieses Urteil zeigt: Das Asylrecht ist schon lange kein „normales“
Grundrecht mehr. Aber auch wenn sich das Berliner Gericht in seiner Begründung
ausdrücklich auf das Bundesverfassungsgericht beruft - in der Verfassung
steht das alles nicht. Daß das Schicksal von Asylbewerbern nach Gruppen
eingeteilt wird, ist alt. Sippenhaft ist neu.
Gudula Geuther