Illegale Demo kein Abschiebegrund
Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts zur PKK: Funktion
in der Partei entscheidend
Entscheidend sei, wie stark ein PKK-Aktivist in die Partei eingebunden
sei und welche Stellung er in der Parteihierarchie einnehme. urteilte das
Gericht. Der Berliner Entscheidung lagen drei Fälle zugrunde, in denen
Oberverwaltungsgerichte kurdischen Asylbewerbern wegen ihrer politischen
und teilweise auch kriminellen Aktivitäten einen Abschiebeschutz versagt
hatten. 1992 hatte ein Kurde an einer verbotenen PKK-Demonstration in Karlsruhe
teilgenommen. Er hatte darüber hinaus der PKK regelmäßig
Geld gespendet und an zahlreichen anderen Veranstaltungen teilgenommen.
Wegen seiner Teilnahme an der Blockade war der Asylbewerber zu einer Geldstrafe
verurteilt worden.
In alledem sah das Gericht indes keine schwerwiegende Beeinträchtigung
der Sicherheit der Bundesrepublik. ¸¸Er war ein aktiver Sympathisant,
aber mehr auch nicht’’, befanden die Richter. Sie räumten allerdings
ein, daß es keine ¸¸objektive Meßlatte’’ gebe.
Jeder Einzelfall müsse genau geprüft werden. Was in demokratisch
stabilen Zeiten noch zu dulden sei, könne in politischen Krisenzeiten
ein anderes Gewicht bekommen, sagte der Vorsitzende des 9. Senats, Friedrich
Seebass. Dieses Urteil sei nicht als Freibrief für die PKK-Sympathisanten
zu verstehen.
In zwei Fällen stützten die Bundesrichter hingegen die Entscheidung
der unteren Instanzen. Ein Spendeneintreiber der PKK, der bereits wegen
versuchter schwerer Körperverletzung verurteilt war, stellt nach Ansicht
der Bundesrichter eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik
dar, da er durch seine Militanz die Schlagkraft der eigenen Organisation
erhöhe. Er sei ein ¸¸maßgebliches Rädchen im
Getriebe der PKK’’. Ohne die ¸¸Mitwirkung der unteren Organisationsebene’’
wäre die Arbeit der PKK nicht möglich.
Ähnlich urteilten die Bundesrichter im Fall eines PKK-Gebietsleiters,
der bereits wegen schwerer Freiheitsberaubung und Mitgliedschaft in einer
terroristischen Vereinigung vorbestraft war. Durch sein Handeln als hochrangiger
Funktionär der PKK habe der Mann den terroristischen Kampf in besonderer
Weise unterstützt. Asyl könne nicht beanspruchen, ¸¸wer
den in seinem Heimatland mit terroristischen Mitteln geführten politischen
Kampf vom Boden der Bundesrepublik Deutschland aus fortsetze oder unterstütze’’.
Ausdrücklich wies der 9. Senat darauf hin, daß er nicht
darüber zu entscheiden hatte, ob die beiden Männer nun tatsächlich
abgeschoben werden können. In Übereinstimmung mit der europäischen
Menschenrechtskonvention darf niemand abgeschoben werden, dem in der Heimat
Todesstrafe, Folter oder unmenschliche Behandlung drohen.
Wie die Nachrichtenagenturen ergänzend berichten, forderte die
CDU/CSU-Bundestagsfraktion nach dem Urteil, PKK-Funktionäre sofort
abzuschieben. Außerdem müsse jetzt das Ausländerrecht geändert
werden, damit man auch Teilnehmer von illegalen Versammlungen ausweisen
könne, erklärte ihr innenpolitischer Sprecher Marschewski. Die
PDS erklärte, Kurden müßten weiter vor Abschiebung in die
Türkei geschützt werden. Das Urteil dürfe nicht dazu führen,
daß die Bundesrepublik mit der Türkei ein Papier über die
Einhaltung des Folterverbots unterzeichne und danach Kurden zwangsweise
in die Türkei gebracht würden.
PKK und Abschiebung
Als nach der Entführung des PKK-Chefs Öcalan durch den türkischen
Geheimdienst in der Bundesrepublik lebende Kurden randalierten und die
Polizei in Atem hielten, überschlugen sich deutsche Politiker mit
der Forderung, zumindest die Aktivisten der hierzulande verbotenen kurdischen
Arbeiterpartei rasch abzuschieben. Es war nur Kraftmeierei, denn mit dem
Abschieben selbst von PKK-Funktionären ist es nicht so einfach. Das
Bundesverwaltungsgericht hat jetzt zum asylrechtlichen Abschiebungsschutz
von Aktivisten und Sympathisanten der PKK ein die nachgeordneten Gerichte
bindendes Grundsatzurteil gefällt. Bei der PKK wird man es mit Genugtuung
zur Kenntnis nehmen.
Zunächst: Wer der Terror-Organisation regelmäßig Geld
spendet - wie freiwillig auch immer - und an verbotenen Demonstrationen
teilnimmt, darf nicht abgeschoben werden. Er erhält sogenanntes kleines
Asyl und damit eine Aufenthaltsbefugnis. Diese Einschätzung könne
sich, sagt das Gericht, allerdings je nach Sicherheitslage ändern.
Den Behörden hilft das wenig. Bis das Gericht eine veränderte
Lage feststellt, kann es Jahre dauern. Im Falle eines hohen PKK-Funktionärs
und eines Spendeneintreibers - beide sind einschlägig vorbestraft
- hat das Bundesverwaltungsgericht den Asylanspruch und damit den Abschiebeschutz
verweigert.
Aber die beiden PKK-Aktivisten werden trotzdem im Lande bleiben. Es
müssen, sagen die Richter, mögliche Abschiebehindernisse gemäß
der europäischen Menschenrechtskonvention geprüft werden. In
ihrem Herkunftsland, der Türkei, wären diese engagierten PKK-Täter
gewiß gefährdet. Es bleibt dabei: Je mehr ein Kurde sich für
die PKK betätigt, desto sicherer kann er sich hier fühlen.Von
Werner Birkenmaier