Kurde wird zwangsernährt
Hungerstreik verschärft
ZWEIBRÜCKEN (bho). Der Kurde Kemar Demirel hat vergangene Woche seinen Hungerstreik verschärft und verweigert neben dem Essen auch die Flüssigkeitsaufnahme. Am Ostersamstag ist er in das katholische Krankenhaus eingewiesen worden; dort wird er zwangsernährt. Der Kurde will auf seine bevorstehende Abschiebung in die Türkei aufmerksam machen. Nach eigenen Angaben war der 29jährige Mitglied einer Partisanengruppe und muß in der Heimat mit Mißhandlungen rechnen. Eckart Emrich, evangelischer Seelsorger der Gewahrsamseinrichtung Zweibrücken, wo der Kurde bislang untergebracht war, setzte sich mit einer Unterschriftenaktion gegen die Abschiebung ein. Der Brief wurde gestern an Innenminister Walter Zuber gefaxt, von dem zunächst keine Stellungnahme zu erhalten war.
„Lieber in Zweibrücken sterben als in der Türkei“
Hungerstreikender Kurde wird im Krankenhaus St. Elisabeth zwangsernährt
- Pfarrer wollen Abschiebung verhindern
Ein Kurde, der in die Türkei abgeschoben werden soll, wird seit
Samstag im Krankenhaus St. Elisabeth zwangsweise ernährt. Kemar Demirel
befindet sich seit 10. März im Hungerstreik, seit 31. März verweigert
der 29jährige auch die Aufnahme von Flüssigkeiten, um auf den
Ernst seiner Lage aufmerksam zu machen.
Als am Ostersamstag seine körperliche Verfassung lebensbedrohliche
Ausmaße annahm, wurde er in das katholische Krankenhauses eingewiesen.
Dort wird er seitdem über die Vene seines rechten Armes zwangsernährt.
Die ersten Tage nach seiner Einlieferung war er ans Bett gefesselt, damit
er sich die Infusion nicht herausziehen konnte.
Demirel sagte gestern, er habe dem Pflegepersonal inzwischen versprochen,
die Schläuche nicht herauszureißen. Deshalb darf er sich jetzt
wieder frei bewegen. Zwei Sicherheitsbedienstete der „Gewahrsamseinrichtung“
Birkhausen, in der Demirel zuletzt untergebracht war, sind rund um die
Uhr in seinem Krankenzimmer, um zu verhindern, daß Demirel flieht.
Sie saßen gestern mittag am Besuchertisch und verspeisten Schwarzwälderkirsch-Torte.
Demirel kam in die Einrichtung Birkhausen, weil die Behörden damit
rechneten, daß er sich seiner Abschiebung entziehen könnte.
Das sagte Henning Miehe, Pressesprecher der Bezirksregierung in Neustadt.
Der Kurde hält sich seit 1991 in der Bundesrepublik auf, seit etwa
einem Jahr läuft sein Abschiebeverfahren. Nach eigenen Angaben ist
er Mitglied einer kurdischen Partisanengruppe gewesen und muß deswegen
bei seiner Rückkehr mit Folter und Mißhandlungen rechnen.
„Augen, Ohren und Mund zu“
Ein befreundeter Kurde, der in einer ähnlichen Lage wie er war,
sei Mitte März abgeschoben worden, berichtete der Patient, seitdem
habe er nichts mehr von ihm gehört. „Lieber will ich in Zweibrücken
sterben als in der Türkei. Ich lasse mich nicht abschieben“, sagte
Demirel gestern. Den deutschen Politikern sowie der Öffentlichkeit
wirft er vor, sich zu wenig für die Situation der Kurden einzusetzen:
„Sie halten sich Augen, Ohren und Mund zu, um die Wirklichkeit in der Türkei
nicht wahrzunehmen.“ Er fordert einen Abschiebestop für alle in Deutschland
lebenden Kurden.
Der evangelische Seelsorger der Abschiebehaftanstalt Birkhausen, Pfarrer
Eckhart Emrich, hat in Abstimmung mit Dekan Dieter Oberkircher in den vergangenen
Tagen in seiner Gemeinde Unterschriften gegen die Abschiebung Demirels
gesammelt. Darin weist Emrich auf die Selbstvernichtung Demirels hin und
argumentiert, daß die Mainzer Landesregierung davon nicht unberührt
bleiben dürfe. Sie solle die Abschiebung Demirels aussetzen müsse.
84 Gläubige haben während des Gottedienst den Brief an Innenminister
Walter Zuber unterschrieben. „Dies bedeutet, daß fast alle Besucher
ihren Namen unter das Schreiben gesetzt haben“, berichtet Oberkircher.
Es wurde gestern in Zubers Büro gefaxt. Für die Pfarrer war es
das erste Mal, daß sie sich mit einem solchen Schritt für die
Lage eines von der Abschiebung bedrohten Kurden eingesetzt haben.
Das Innenministerium nahm bis gestern abend zu dem Fall nicht Stellung.
(bho)