Planspiel Rückeroberung
Planspiel Rückeroberung Allen Dementis zum Trotz: Der Krieg
am Boden wird immer wahrscheinlicher. Wie für die Kurden im Irak könnten
jetzt auch für die Kosovo-Albaner Sicherheitszonen geschaffen werden
Milosevic mag denken, daß er fertig ist, wir aber sind mit ihm
noch nicht fertig.“ Das antwortete der Sprecher des Pentagon, Ken Bacon,
auf die Frage, ob Amerikas Kampfubschrauber „Apache“ eingesetzt werden
können, bevor Milosevic damit fertig ist, das Kosovo zu entvölkern.
In der Aussage klingt außer einem Starken-Mann-Gehabe auch an, daß
mit einem „albanerfreien“ Kosovo sich die Sache für Amerika und die
Nato nicht erledigt hätte. „Wir können uns ein zweites Bosnien
nicht leisten“, sagt auch Ivo Daalder, ehemaliger Berater Clintons im Nationalen
Sicherheitsrat: „wir müßten Kosovo zurückerobern, sonst
wäre das das Ende der Nato“.
Territoriale Eroberung aber ist nur durch eine militärische Besetzung
möglich. Das versteht auch der Laie. Durch vorsichtige Wendungen solcher
Art wird die Öffentlichkeit auf einen Landkrieg auf dem Balkan vorbereitet.
Die von der Clinton-Regierung als Beschwichtigung ausgegebene Parole, daß
es auf keinen Fall zum Einsatz von Bodentruppen kommen würde, begann
schon bald nach Kriegsbeginn zu wanken.
Als deutlich wurde, daß Milosevic die Luftangriffe zum Vorwand
dafür nahm, ein ganzes Territorium von seiner Bevölkerung zu
entleeren, da deutete Clinton einen kaum wahrnehmbaren Schwenk in den Optionen
von USA und Nato an. Anders als bisher könnten sich die USA gezwungen
sehen, nicht mehr die Autonomie, sondern die Unabhängigkeit Kosovos
zu unterstützen. Als Drohung an Milosevic gedacht, noch einmal innezuhalten
und das Risiko abzuwägen, das Kosovo ganz und gar zu verlieren, legte
diese Äußerung Konsequenzen nahe: Ein unabhängiges Kosovo
schafft andere Voraussetzungen für eine militärische Intervention
als Völkervertreibung im eigenen Land.
Unterstützen die USA die Unabhängigkeit Kosovos?
Die Anerkennung der Unabhängigkeit eines Teils des alten Jugoslawien
spielte schon bei der Loslösung Kroatiens 1991 eine Rolle. Damals
plädierte der deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher
für die Anerkennung eines unabhängigen Kroatiens - in der Annahme,
eine Internationalisierung des Konflikts würde Jugoslawiens Haltung
ändern. Was damals den Krieg nicht aufhielt, soll ihn heute gewinnen
helfen.
Die International Herald Tribune, die im Ausland erscheinende Koproduktion
von Washington Post und New York Times, ging in der Auslegung dieser Option
bisher am weitesten. Die Anerkennung des Kosovo als unabhängiger Staat
sei die eigentliche Frage, um die sich Clinton mit seiner besonderen Sorge
um das Schicksal der Flüchtlinge herummogele, hieß es gestern
in einem Leitartikel. Ein unabhängiges Kosovo zwinge die internationale
Gemeinschaft ähnlich wie im Falle der Besetzung Kuweits, militärisch
einzugreifen. Mit dem Ziel, das besetzte Territorium zu befreien. „Das
Kosovo ist so groß wie die Stadtfläche von Los Angeles,“ erklärt
der Autor des Leitartikels in einem Interview, „eine Panzerkolonne braucht
für eine Durchfahrt eine Stunde, Infanterieeinheiten nur einige Tage.“
Der Einsatz am Boden wird immer öfters gefordert
In der öffentlichen Meinung der USA findet ein Schwenk statt,
und die Berichterstattung über das Flüchtlingsdrama trägt
seinen Teil dazu bei. Kommentatoren sowie berufene und weniger berufene
Militärexperten erklären seit Tagen, daß der Krieg um das
Kosovo nicht aus der Luft gewonnen werden kann und Bodentruppen nicht ausgeschlossen
werden dürfen.
„Wer im Balkan eingreifen will, braucht schwielige Fäuste, einen
starken Magen und muß hart zuschlagen“, riet etwa Ralph Peters, Autor
des in Amerika Aufsehen erregenden Buches „Fighting for the Future“. Die
Zustimmung der US-Öffentlichkeit zum Bombenkrieg ist nach einer Umfrage
von Washington Post und ABC von ursprünglich 55 auf 68 Prozent gestiegen.
55 Prozent sprechen sich jetzt für den Einsatz von Bodentruppen aus,
41 Prozent sind dagegen.
Wie USA und Nato von ihrer ursprünglichen Ablehnung der Unabhängigkeit
Kosovos und des Einsatzes von Bodentruppen abrücken könnten,
riet schon letze Woche Ivo Daalder: „Das Kosovo teilen oder darin doch
sichere Zonen für die Albaner schaffen, die durch Truppen verteidigt
werden müßten.“ Ein Modell stellen die Schutz- und Flugverbotszonen
dar, die nach dem Golfkrieg im Irak zum Schutz der Kurden eingerichtet
wurden. Die Verlegung der „Apache“-Hubschrauber könnten also doch
der erste Schritt für den Bodeneinsatz sein.
Peter Tautfest, Washington