ZWEIBRÜCKEN: Hungerstreikender Kurde wird im Krankenhaus St. Elisabeth zwangsernährt
Ein Kurde, der in die Türkei abgeschoben werden soll, wird seit Samstag im Krankenhaus St. Elisabeth zwangsweise ernährt. Kemar Demirel befindet sich seit 10. März im Hungerstreik, seit 31. März verweigert der 29jährige auch die Aufnahme von Flüssigkeiten, um auf den Ernst seiner Lage aufmerksam zu machen.
Als am Ostersamstag seine körperliche Verfassung lebensbedrohliche
Ausmaße annahm, wurde er in das katholische Krankenhauses eingewiesen.
Dort wird er seitdem über die Vene seines rechten Armes zwangsernährt.
Die ersten Tage nach seiner Einlieferung war er ans Bett gefesselt, damit
er sich die Infusion nicht herausziehen konnte.
Demirel sagte, er habe dem Pflegepersonal inzwischen versprochen, die Schläuche nicht herauszureißen. Deshalb darf er sich jetzt wieder frei bewegen. Zwei Sicherheitsbedienstete der "Gewahrsamseinrichtung" Birkhausen, in der Demirel zuletzt untergebracht war, sind rund um die Uhr in seinem Krankenzimmer, um zu verhindern, daß Demirel flieht. Sie saßen zuletzt am Besuchertisch und verspeisten genüßlich Schwarzwälderkirsch-Torte. Demirel kam in die Einrichtung Birkhausen, weil die Behörden damit rechneten, daß er sich seiner Abschiebung entziehen könnte. Das sagte Henning Miehe, Pressesprecher der Bezirksregierung in Neustadt. Der Kurde hält sich seit 1991 in der Bundesrepublik auf, seit etwa einem Jahr läuft sein Abschiebeverfahren. Nach eigenen Angaben ist er Mitglied einer kurdischen Partisanengruppe gewesen und muß deswegen bei seiner Rückkehr mit Folter und Mißhandlungen rechnen.
"Augen, Ohren und Mund zu"
Ein befreundeter Kurde, der in einer ähnlichen Lage wie er war, sei Mitte März abgeschoben worden, berichtete der Patient, seitdem habe er nichts mehr von ihm gehört. "Lieber will ich in Zweibrücken sterben als in der Türkei. Ich lasse mich nicht abschieben", sagte Demirel. Den deutschen Politikern sowie der Öffentlichkeit wirft er vor, sich zu wenig für die Situation der Kurden einzusetzen: "Sie halten sich Augen, Ohren und Mund zu, um die Wirklichkeit in der Türkei nicht wahrzunehmen." Er fordert einen Abschiebestop für alle in Deutschland lebenden Kurden.
Der evangelische Seelsorger der Abschiebehaftanstalt Birkhausen,
Pfarrer Eckhart Emrich, hat in Abstimmung mit Dekan Dieter Oberkircher
in den vergangenen Tagen in seiner Gemeinde Unterschriften gegen die Abschiebung
Demirels gesammelt. Darin weist Emrich auf die Selbstvernichtung Demirels
hin und argumentiert, daß die Mainzer Landesregierung davon nicht
unberührt bleiben dürfe. Sie solle die Abschiebung Demirels aussetzen.
84 Gläubige haben während des Gottedienstes den Brief an Innenminister
Walter Zuber unterschrieben. "Dies bedeutet, daß fast alle Besucher
ihren Namen unter das Schreiben gesetzt haben", berichtet Oberkircher.
Es wurde jetzt in Zubers Büro gefaxt. Für die Pfarrer war es
das erste Mal, daß sie sich mit einem solchen Schritt für die
Lage eines von der Abschiebung bedrohten Kurden unmittelbar eingesetzt
haben. Das Mainzer Innenministerium nahm zunächst zu dem Fall Kemar
Demirel noch keine Stellung. (bho)