IM PROFIL
Angelika Beer Verteidigungspolitikerin der Grünen
Es ist gerade mal zehn Tage her – zehn Kriegstage – da hat Angelika
Beer gesagt: „Ich bin verzweifelt, aber ich habe keine Zweifel.“ Die verteidigungspolitische
Sprecherin der Grünen sah keine Alternative zu den Bombenflügen
der Nato. Nun schreibt Beer an ihre Fraktion einen Brief, der vor
allem eines deutlich macht: Die Verzweiflung ist gewachsen. Sie zeigt sich
damit wieder als eine Art Seismograph der Grünen, vor allem des linken
Spektrums. Aber ihr Alarmruf dürfte auch bei den regierenden Realos
gehört werden, schließlich war es die Kieler Abgeordnete, der
es bisher gelang, große Teile der Linken im Kosovo-Konflikt auf Regierungskurs
zu halten. Als „Kriegstreiberin“ wurde sie dafür von manchen Parteifreunden
verhöhnt. Das hat die 41jährige verletzt. Sie selbst versteht
sich als „Antimilitaristin“. Daß eine solche Haltung mit dem Eintreten
für Menschenrechte kollidieren kann, weiß Beer schon lange.
Ihre Zerrissenheit hat sie nicht verborgen, sie ist der schmalen, sensiblen
Frau aus dem Gesicht zu lesen. Als Politikerin aus Leidenschaft wird sie
von ihren Freunden beschrieben. Sie gilt als durchsetzungsfähig, die
sanfte Stimme kann auch schrill werden.
Mit dem Eintritt der Grünen in die Bundesregierung machte Beer
einen klaren Schwenk: Sie verteidigt seither deren Außen- und Sicherheitspolitik
– bis hin zum Kosovo-Einsatz. Im August 1995 las sich das noch ganz anders.
Heftig kritisierte Beer damals Joschka Fischers Plädoyer für
einen Militäreinsatz in Bosnien. Es gebe keinen Nachweis dafür,
daß Menschenrechte durch Militäreinsätze verteidigt würden,
wenn zuvor der politische Wille gefehlt habe, den Konflikt nicht-militärisch
zu lösen, sagte sie damals. Irgendwie ist sie dieser Meinung
immer noch. Deshalb auch die Zweifel, ob in Rambouillet wirklich
alles getan wurde, um den Konflikt politisch zu lösen.
Als zweitjüngste Abgeordnete kam Beer 1987 in den Bundestag. Damals
habe sie ihre Ellenbogen gebraucht, als Neuling „und dann noch Frau“, erinnerte
sie sich später. Da war Beer wieder im Bundestag, nach der vierjährigen
Zwangspause, in der die West-Grünen außerparlamentarische Opposition
spielen mußten. Damals gehörte sie dem Bundesvorstand der Partei
an und arbeitete als Koordinatorin für medico international in der
Kampagne zur Ächtung von Landminen. Erfahrungen mit Krisengebieten
haben Beer, die 1957 im friedlichen Kiel geboren wurde, geprägt.
Zu den Schlüsselerlebnissen gehörten Saddams Giftgasbomben auf
die irakischen Kurden in Halabscha und der Kurden-Konflikt in der Türkei.
Heftig stritt sie gegen deutsche Waffen für die Türkei.
Beer gehört zu den Gründungsmitgliedern der Grünen.
Der Kommunistische Bund schloß sie aus.
Der Vater war auch Abgeordneter, für die CDU im Landtag von Schleswig-Holstein.
Ihr Privatleben schützt sie vor der Öffentlichkeit. Der Sohn
ist bereits 25, er stammt aus einer sehr frühen kurzen Ehe. In der
suchte sie nach dem Tod beider Eltern Schutz. Irgendwann, in dieser nicht
einfachen Jugend, habe sich, erzählte sie einmal, ihr starkes Gerechtigkeitsgefühl
entwickelt.
Christiane Schlötzer-Scotland