Offener Brief an den Innenminister des Landes Hessen
Betr.: Abschiebung von Herrn Kemal Demirel in die Türkei am 8.April 1999
Sehr geehrter Herr Gerhard Bökel, 9. April 1999
Herr Kemal Demirel wurde auf Anordnung des Landrates in Schwabach (Main-Taunus-Kreis)
am 8. April 1999 in die Türkei abgeschoben, obwohl er sich bereits
in einem 29-tägigen Hungerstreik befand und obwohl das Verwaltungsgericht
Darmstadt einen Tag zuvor (7. April) eine aufschiebende Wirkung der Abschiebung
(AZ: 7 G 302 90/99.A(3) angeordnet hatte. Schon am 24. März 1999
wurde der Landrat des Main-Taunus-Kreises vom Bundesamt informiert, daß
davon
ausgegangen werden könne, daß das VWG Darm-stadt die Abschiebung
aussetzen werde.
Herr Demirel beteiligte sich gemeinsam mit anderen Kurden seit dem 10.
März an einem Hungerstreik in der Abschiebehaftanstalt Birkhausen/Zweibrücken.
Aus
Protest gegen die Abschiebung der am Hungerstreik Beteiligten, begann
er ein Todesfasten und wurde zu letzt zwangsernährt.
Ganz davon abgesehen, daß der politische Akt eines derart entschlossenen
Hungerstreikes, die ernsthafte Lage nicht nur dieses einen Menschen aufdeckt,
ist die
Entscheidung, die durch die in Ihren Zuständigkeitsbereich fallenden
Behörden gefällt wurde, rücksichtslos, unmenschlich und
absolut inakzeptabel. Es bleibt
unbegreiflich, wie der zuständige Arzt, Herrn Demirel für
reisefähig erklären konnte. In einem solch fortgeschrittenen
Stadium eines Hungerstreikes verlieren die
betreffenden Personen ihre Sinneswahrnehmung, z.T.das Bewußtsein
und die inneren Organe werden funktionsunfähig.
Herr Demirel befindet sich augenblicklich auf dem Flughafengelände
von Istanbul und soll im Laufe des Tages an die Polizeistation Istanbul-VATAN
überstellt
werden. In seinem gesundheitlichen Zustand sollte ein Transfer zu dem
nächstliegenden Kranken-haus als ein Minimum gewährleistet sein,
stattdessen wird Herr
Demirel, der über einen Monat seinen Protest gegen den Krieg,
die Folter und Verfolgung an der kurdischen Bevölkerung durch den
türkischen Staat unter Einsatz
seines Lebens öffentlich machte, direkt in die Hände der
türkischen Polizei ausgeliefert.
Ihnen und jeglichen zuständigen Personen in Deutschland sollte
bewußt sein, daß die Verantwortlichkeit für Herrn Demirels
Leben in Ihren Händen liegt. Wir
appellieren an Sie, in der "letzten Minute"die richtige Entscheidung
zu fällen, die nur eine Rückkehr von Herrn Demirel nach Deutschland
bedeuten kann.
Hochachtungsvoll,
Internationaler Menschenrechtsverein Bremen e.V.
PS: Kopien zur Kenntnisnahme gesendet an den Bundesminister des Innern,
Herrn Otto Schily und an den Bundesminister des Auswärtigen Herrn
Joseph Fischer