Verfassungsgericht urteilt zugunsten pro-kurdischer Partei
Hadep nimmt an Parlamentswahl in Türkei teil
Rund 1000 Anhänger und Funktionäre vor Kundgebung in Diyarbakir
festgenommen
ky. Istanbul (Eigener Bericht) – Trotz teilweiser Behinderungen ihres
Wahlkampfes darf die pro-kurdische "Demokratiepartei des Volkes" (Hadep)
nun doch an den türkischen Parlamentswahlen am Sonntag teilnehmen.
Mit einem entsprechenden Spruch wies das Verfassungsgericht in Ankara zum
zweiten Mal in vier Wochen einen Verbotsantrag von Generalstaatsanwalt
Vural Savas zurück. Am Vortag waren bei der gewaltsamen Auflösung
einer kurz vor Beginn verbotenen Hadep-Kundgebung in der südosttürkischen
Stadt Diyarbakir bis zu 1000 Menschen vorübergehend festgenommen worden.
Ein örtlicher Parteifunktionär sprach sogar von 5000 Festnahmen.
Savas, der ein Verbotsverfahren gegen Hadep eingeleitet hat, hatte
argumentiert, daß eine Teilnahme der Partei an den Wahlen Terroristen
die Tür zu öffentlichen Ämtern öffne. Beobachter rechnen
damit, daß Hadep bei den zeitgleich stattfindenden Kommunalwahlen
mehrere Bürgermeisterposten, darunter in Diyarbakir, erobern könnte.
Der Generalstaatsanwalt hält die Partei für den verlängerten
Arm der verbotenen kurdischen Separatistenorganisation PKK.
In Diyarbakir, der Hauptstadt der Region, war es am Dienstag zu schweren
Zusammenstößen gekommen, als die Polizei eine ursprünglich
genehmigte Versammlung der Hadep auflöste. Wie der örtliche Parteifunktionär
Feridun Celik der Zeitung Cumhuriyet berichtete, wurde die Kundgebung nur
20 Minuten vor dem geplanten Beginn verboten, als sich bereits tausende
von Menschen im Stadtzentrum versammelt hätten oder auf dem Weg zum
Versammlungsplatz gewesen seien. Er sprach davon, daß 5000 Menschen
festgenommen worden seien. Deshalb habe man sie in Kinosälen festhalten
müssen, weil die Polizei- und Gefängniszellen nicht ausreichten.
Nach Angaben der Polizei wurden 300 Menschen vorübergehend festgenommen.
Mit Ausnahme einiger örtlicher Hadep-Funktionäre seien sie jedoch
alle wieder auf freien Fuß gesetzt worden.
Der amtierende Hadep-Chef Osman Özcelik teilte mit, daß
mehr als 1000 Demonstranten und Parteianhänger verhaftet worden seien.
Der Hadep-Vorsitzende Murat Bozlak, dem Kontakte zur PKK vorgeworfen werden,
befindet sich in Haft. Der Politiker soll vor Gericht gestellt werden.
Die Demonstranten waren durch die Straßen der Stadt gezogen und
hatten in Sprechchören "Lang lebe Apo" gerufen. PKK-Chef Abdullah
"Apo" Öcalan wartet zur Zeit auf der Gefängnisinsel Imrali im
Marmara-Meer auf seinen Prozeß wegen Terrorismus und Hochverrates.
Das Verfahren soll am 30. April beginnen. Nach der Festnahme Öcalans
wird dem Abschneiden von Hadep große Bedeutung beigemessen. Die türkischen
Behörden und Generalstaatsanwalt Vural Savas im besonderen haben die
Partei in den letzten Monaten so eng mit der PKK assoziiert, daß
jede Stimme für Hadep als Stimme für die Separatistenorganisation
gewertet werden kann. Dies würde jedoch der amtlichen Argumentation
zuwiderlaufen, wonach es sich bei der PKK um eine kleine Gruppe irregeleiteter
Terroristen ohne Unterstützung in der Bevölkerung handele.