Warum durften Sie am Sonntag bei »Sabine Christiansen« nichts sagen?
jW sprach mit Brigitte Queck von »Mütter gegen den Krieg«
(Die Potsdamerin ist außerdem Mitglied der »Gruppen der
Friedenskoordination« in Berlin)
F: Sie waren am Sonntag als Gast bei »Sabine Christiansen«,
der ARD-Gesprächsrunde mit dem Thema »Kosovo - keine Hoffnung
auf Frieden«, eingeladen. Zu Wort gekommen sind sie jedoch nicht
ein einziges Mal.
Das ist richtig. Oliver Stoll, ein Studentenvertreter der Humboldt-Universität
in Berlin, und ich waren als Gesprächspartner geladen. Wir nahmen
am Friedenskonvoi der Bewegung »Mütter gegen den Krieg«
teil. Am Sonntag gegen 14 Uhr sind wir aus Belgrad nach Dresden zurückgekehrt
und haben uns umgehend bei der Sendung »Sabine Christiansen«
gemeldet. Telefonisch teilten die ARD-Verantwortlichen uns mit, daß
wir mindestens fünf Minuten Redezeit hätten. Doch vor laufenden
Kameras durften wir nichts sagen.
F: Können Sie sich erklären, wie es dazu kam?
Als wir im Sendegebäude ankamen, trug ich ein Schild der Bewegung
»Mütter gegen den Krieg« sowie den bekannten Zielscheibe-Anhänger,
den die jugoslawischen Bürger tragen, wenn sie mit ihren Leibern die
Brücken vor NATO-Angriffen schützen wollen. Man bat mich sofort,
diesen Button abzunehmen, was ich jedoch nicht tat. Ich nahm anschließend
im Senderaum Platz - und direkt neben mir ein Security-Vertreter. Kurz
vor Sendebeginn legte man mir nochmals nah, den Zielscheibe-Anhänger
abzunehmen. Als die Sendung begann, wurden wir auch von Frau Christiansen
den Zuschauern vorgestellt, wie alle anderen Teilnehmer der Gesprächsrunde
auch. Nur daß keine Fernsehkamera auf uns einschwenkte und damit
den Zuschauern präsentierte. Man wollte offenbar vermeiden, daß
mein Zielscheiben-Button zu sehen ist. Ich denke, daß das ein ganz
entscheidender Grund war, mir den Mund zu verbieten. Ein weiterer Grund
bestand sicherlich darin, daß ich nicht darauf verzichten wollte,
mich neben den Studentenvertreter Oliver Stoll zu setzen, der vor Beginn
der Sendung mit zahlreichen Kriegsgegnern sympathisierte, die vor dem Sendegebäude
gegen die NATO-Angriffe demonstrierten. Man wollte diese Kreise einfach
nicht zu Wort kommen lassen. Und da man wußte, daß auch ich
mich klar gegen den Krieg wenden würde, gab man mir keine Chance.
F: Wie empfanden Sie den Grundtenor der Sendung?
Ich hatte den Eindruck, daß man larifari über die Situation
in Jugoslawien redete. Man sprach nicht im geringsten über die Ursachen
des Krieges, sondern ging gleich dazu über, seine Notwendigkeit zu
bekräftigen. Wahrscheinlich stimmte meine Meinung mit diesem wohl
schon vorgefertigten Grundtenor nicht überein.
F: Was hätten Sie gesagt, wenn man Ihnen die Möglichkeit dazu
gegeben hätte?
Ich hätte vor allen Dingen über das Anliegen der »Mütter
gegen den Krieg« gesprochen und auf die Sinnlosigkeit der Angriffe
hingewiesen. Weiter hätte ich darauf aufmerksam gemacht, daß
die Bombardierung der Stadt Pristina, die mehrheitlich von Kosovo- Albanern
bewohnt wird, wohl kaum zum Nutzen dieser Volksgruppe stattfinden kann,
wie es ständig seitens der BRD propagiert wird. Daß zum dritten
Mal von deutschem Boden wieder ein Angriffskrieg ausgeht, der völkerrechtlich
nicht gedeckt ist, hätte ich ebenfalls kritisch zur Sprache gebracht.
Nach dem Abschalten der Kameras und dem Ende der Sendung habe ich mich
mit lauter Stimme an alle Anwesenden gewandt und meine Meinung gesagt.
Interview: Norman Müller