PKK verschreckt Touristen
Furcht vor Kurden-Anschlägen Türkei wirbt um deutsche
Urlauber
Von Insa Gall
Antalya Die deutschen Urlauber haben sich in der klimatisierten
Bar des Hotels „Kemer Vista“ versammelt, um den Journalisten darüber
zu berichten, wie ungefährlich die Touristenregion an der türkischen
Riviera sei. Sie fühle sich hier 100prozentig sicher, sagt Margarete
Aust aus Bad Segeberg. „Wir haben keine Angst“, versichert Gerd Jacoby
aus Berlin, „sagen Sie das ruhig weiter.“
Der Tourismus in der Türkei steckt in einer schweren Krise
die Bombendrohung der kurdischen Terrororganisation PKK und der Öcalan-Prozeß,
der heute formell beginnt, halten vor allem die deutschen Besucher fern.
Von den insgesamt 157 000 Urlauberbetten in der Region Antalya stehen derzeit
70 bis 80 Prozent leer. Auch die Buchungszahlen für die laufende Saison
liegen 30 bis 50 Prozent unter denen des bereits schwachen Vorjahres.
Nachdem sich die offizielle Türkei bisher in Schuldzuweisungen
und Verschwörungstheorien erging, rüstet man sich nun zum Kampf,
die Touristen aus „Almanya“ zurückzugewinnen. Mehrere Dutzend deutsche
Journalisten wurden an die türkische Riviera gebracht; sie sollen
das Bild vom Paradies im Kriegszustand korrigieren. Initiator ist Vural
Öger, türkischstämmiger Inhaber des größten deutschen
Türkeireise-Anbieters „Öger Tours“. Er lud zu einer Pressekonferenz
ins sonnige Kemer, eine Autostunde von Antalya entfernt.
Die Botschaft von eigens angereisten Fachleuten und Regierungsvertretern,
kurdischstämmigen Hoteliers und den deutschen Urlaubern einhellig
vorgetragen: Die PKK drohe seit Jahren mit Bombenanschlägen, doch
die Touristengebiete im Süden des Landes seien zuletzt 1993 Schauplatz
von Terrorakten geworden: Damals explodierten in Antalya drei Bomben. Die
Sicherheitsvorkehrungen der türkischen Behörden seien effektiv.
Ein Kurdenproblem gebe es nicht viele kurdischstämmige Türken
seien selbst erfolgreich in der Tourismusindustrie beschäftigt. Die
Problematik liege höchstens im sozialen Bereich, in der Strukturschwäche
des unterentwickelten Ostanatoliens.
Die Türkei fühlt sich unfair behandelt von den Medien
und auch von den Deutschen, die aufgrund der einen PKK-Drohung millionenfach
fernblieben, während sie unbekümmert nach Ägypten oder in
das ebenfalls von Bombenanschlägen betroffene London reisten. „In
unserem Land wird Sicherheit auf allen Ebenen gewährleistet“, versichert
Faruk Erol, stellvertretender Staatssekretär im Tourismusministerium.
4000 Polizisten und 4000 Gendarme seien in der Region Antalya eingesetzt,
schildert Polizeidirektor Natik Canca.
Mittlerweile hat auch die Regierung erkannt, daß sie etwas unternehmen
muß, um die wichtigste Wachstumsbranche der Türkei vor einem
Debakel zu bewahren. Im Mai werde man in Deutschland eine Werbekampagne
starten, kündigt der Ministeriumsvertreter an. Mit Anzeigen in Fachzeitschriften,
Hörfunkspots sowie Plakatierungsaktionen soll das Image der Türkei
aufpoliert werden. Dafür stehen vier Millionen Mark zur Verfügung.
„Viel Geld ist das nicht“, räumt Faruk ein.
Mit eigenen Augen überzeugen können sich die Journalisten
vor allem davon, wie schwer die Krise die Region trifft. Viele Anlagen
sind sind gar nicht geöffnet. Kellner decken die Tische in den Restaurants
jeden Abend neu ein, doch nur selten läßt sich auch ein Gast
nieder.
„Wenn die Lage sich nicht bessert, bin ich am Ende der Saison pleite“,
sagt Hassan Yorulmaz, der mit sieben Angestellten mehrere Ledergeschäfte
in Hotels betreibt. Im Schnitt mußten die Hoteliers die Hälfte
ihres Personals entlassen.
So beschäftigt die Öger-eigene 1000-Betten-Anlage „Palm Beach
Majesty Club“ statt 240 derzeit 130 Menschen. Fünf von zehn Öger-Hotels
sind gänzlich geschlossen. „Hotels wie diese können den Verlust
ausgleichen auch die großen Reiseveranstalter werden überleben“,
sagt Clubmanager Halük Tüfekci. Doch die kleinen Geschäfte
und Souvenirläden, die Privatpensionen und Türkeireise-Spezialisten
würden auf der Strecke bleiben.
„Es ist eine Katastrophe für die Menschen in der Region“, klagt
der Manager. Von den 500 000 allein im Raum Antalya im Tourismus Beschäftigten
sei die Hälfte ohne Arbeit. Eine Arbeitslosenversicherung gibt es
nicht.
„Zentrum für Türkeistudien“ im Internet: http://www.uni-essen.de/zft
Reisehinweise: http://www.auswaertiges-amt.de