Spannungen in Irakisch-Kurdistan
USA wollen Region zum Aufmarschgebiet der Saddam-Opposition machen
Während die USA offensichtlich an die kurdischen Parteien im Norden des Irak das Ansinnen gestellt haben, ihre Region zum militärischen Aufmarschgebiet der irakischen Opposition gegen das Saddam-Regime zu machen, intensiviert die irakische Regierung ihre Bemühungen, den US-amerikanischen Plänen entgegenzutreten. Wie ein führender Repräsentant der kurdischen Bewegung der Londoner Zeitung Al Hayat zufolge sagte, hat der Irak seit einiger Zeit seine Gegenmaßnahmen gegen US- amerikanische und britische Militärflugzeuge in der einseitig festgelegten Flugverbotszone nördlich des 36. Breitengrades verstärkt, und schon das beunruhige die Kurden dort. Der gleiche kurdische Offizielle dementierte auch die zuvor in der britischen Zeitung The Independent von Hoshyar Zibari, einem Führer der Demokratischen Partei Kurdistans (DPK) gemachte Behauptung, die USA dächten ernsthaft darüber nach, den Schutz der kurdischen Zone zu verstärken und auch zu garantieren, daß die irakische Armee dort nicht mit Bodentruppen operieren könne, wenn die kurdischen Parteien ihre Region als Aufmarschgebiet der irakischen Opposition zur Verfügung stellten. Der von Al Hayat zitierte Kurdenvertreter bezeichnete diese Idee als »sehr gefährlich«. Der Irak werde darauf »gewalttätig« reagieren.
Am 20. April hatte Al Hayat geschrieben, daß der Irak mehrere
Einheiten der Republikanischen Garde und einige Panzerbrigaden in Richtung
kurdische Grenze entsandt habe, wo sie Anfang der Woche rund 35 Kilometer
vor Erbil gestanden hätten und sich auf die größte kurdische
Stadt, Sulaimaniya, zubewegten. Die Bedingungen, die es der irakischen
Armee 1996 erlaubt hätten, in das kurdische Gebiet einzudringen, seien
jedoch nicht mehr gegeben. In der Tat haben die DPK, die damals die irakischen
Truppen in die Region geholt hatte, um die konkurrierende Patriotische
Union Kurdistans (PUK) zu bekämpfen, und diese unterdessen ihren Streit
vorläufig beigelegt, wenngleich die Konkurrenz in anderer Form fortdauert.
So ist es offensichtlich, daß die DPK immer stärker mit der
Türkei zusammenarbeitet, deren Armee erst kürzlich zum wiederholten
Male weit auf das Gebiet Irakisch-Kurdistans vorgedrungen ist, um dort
vermutete PKK-Basen auszuheben. Andererseits wurde berichtet, daß
die PUK bis dahin im Irak stationierten PKKlern dabei geholfen habe, in
den Iran überzuwechseln. In diesem Zusammenhang stehen auch die erfolgreichen
gemeinsamen Bemühungen der Türkei und der DPK um die Schließung
des PKK-nahen, von London und Brüssel aus sendenden, Fernsehsenders
MED-TV und die - allerdings weniger erfolgreichen - um die Gründung
eines neuen Fernsehsenders im DPK-Gebiet mit direkter türkischer Unterstützung.
Nachdem die US-Luftwaffe vor einiger Zeit die durch Kurdistan führende
Erdölpipeline bombardiert hatte, ist der DPK das aus Zolleinnahmen
erhobene Geld für dieses Projekt allerdings zunächst ausgegangen.
Die wachsenden Spannungen um die Region kommen schließlich auch
darin zum Ausdruck, daß der Irak sowohl die Arabische Liga als auch
die UN aufgerufen hat, der Verletzung der irakischen territorialen Souveränität
durch die türkische Armee einen Riegel vorzuschieben. Während
der Irak sich eifrig um die Verbesserung seiner Beziehungen zur arabischen
Welt bemüht und z. B. im Falle des benachbarten Syriens damit seit
zwei Jahren recht erfolgreich ist, verschlechtern sich seine Beziehungen
zur Türkei offensichtlich deutlich.
Möglicherweise steht eine noch größere Krise in den
Beziehungen zum nördlichen Nachbarn ins Haus, wenn dieser sich weigert,
dem Irak einen größeren Anteil des Wassers aus Euphrat und Tigris
abzugeben. Das ist dringend nötig, denn der Irak ist mit der größten
Dürre seit 50 Jahren konfrontiert und dementsprechend einem Rückgang
der Ernte für die wichtigsten Getreidesorten des Landes um etwa 75
Prozent. Beide Flüsse des Zweistromlandes entspringen in der Türkei,
die durch das gigantische Südostanatolien-Projekt (GAP) einen unverhältnismäßig
großen Teil des Wasser für sich behält. Syrien und der
Irak sind die Leidtragenden.
Anton Holberg