Missmut der nordirakischen Kurden
Klagen über wirtschaftliche Einbussen
it. Istanbul, 3. Mai
Das von Washington initiierte Treffen der sieben wichtigsten irakischen
Oppositionsparteien vor zwei Wochen in London hat die amerikanischen Irak-Koordinatoren
dazu verleitet, von einer «Wiedergeburt der irakischen Opposition»
zu sprechen. Die Kommentare aus dem kurdischen Nordirak hören sich
weit weniger optimistisch an. Der Kurdenchef Talabani hat die amerikanische
Irak-Politik «illusorisch» genannt. Diese ziele hauptsächlich
auf eine Palastrevolution gegen Saddam Hussein ab. Der Führer der
Demokratischen Partei Kurdistans, Massud Barzani, zeigte sich enttäuscht
über Washingtons Hilfezusagen. Der amerikanische Kongress hatte im
Rahmen der Irak Liberation Act der irakischen Opposition 97 Millionen Dollar
versprochen.
Die wichtigste Einnahmequelle des kurdischen Nordiraks war lange der
Handel mit Erdöl. Bagdad verkaufte den kurdischen Nordirakern billiges
Dieselöl aus der Region Mossul. Die Kurden wiederum verkauften dieses
türkischen Lastwagenfahrern; bis zu 10 Millionen Liter wurden täglich
auf diese Weise illegal in die Türkei exportiert. Der Handel verstiess
zwar gegen die Sanktionen der Uno, wurde aber von dieser wie von den Golfkriegsalliierten
stillschweigend geduldet. Er brachte nämlich Barzanis Partei, die
das Gebiet nördlich von Mossul kontrolliert, jährlich umgerechnet
400 Millionen Dollar ein und ermöglichte das Überleben der kurdischen
Region.
Seitdem jedoch britische und amerikanische Kampfflugzeuge das erdölreiche
Gebiet um Mossul wieder beinah täglich bombardieren, hat Bagdad die
Erdöllieferungen in den Nordirak eingestellt. Die Einnahmen der Kurden
werden dadurch schwer beeinträchtigt; die Verluste betragen ein Mehrfaches
der amerikanischen Hilfezusagen. Die schweren Einbussen drohen soziale
Unruhen auszulösen. Der vor wenigen Monaten zwischen Barzani und Talabani
erzielte labile Frieden sei gefährdet, äusserte warnend in Ankara
der zweite Mann der Demokratischen Partei Kurdistans, Netshirwan Barzani.