Der Innensenator ist der erste Zeuge
Der Untersuchungsausschuß zu den tödlichen Schüssen
am israelischen Konsulat hat sich gestern konstituiert. Schon bei der ersten
Sitzung gab es politische Rangeleien. Gefordert wird auch die Befragung
von Bundesministern
Im Grunde geht es um die klassische Watergate-Frage: „What knew the
president - and when?“ - wenn auch in etwas bescheidenerem Berliner Rahmen:
Der Untersuchungsausschuß zu den Kurden-Protesten Mitte Februar und
der tödlichen Schießerei vor dem israelischen Generalkonsulat
hat sich gestern konstituiert.
Dabei wird es nach den Worten des bündnisgrünen Ausschußvorsitzenden
Wolfgang Wieland vor allem um das Geschehen vor den Schüssen der israelischen
Sicherheitsbeamten gehen, die vor und in dem Konsulat vier protestierenden
Kurden tödliche Verletzungen zugefügt hatten. Im Zentrum steht
dabei die Verantwortung von Innensenator Eckart Werthebach (CDU) für
den offensichtlich mangelhaften Schutz der Mission. Er soll am 21.
Mai gehört werden.
Den politisch brisanten Fragenkomplex „Einschätzung der Lage durch
den Innensenator und die Polizeiführung“ werden die sieben Ausschußmitglieder
zuerst behandeln. Der vom Plenum des Abgeordnetenhaus bereits formulierte
Untersuchungsauftrag sieht dazu neun Fragenbündel vor. Bei der konstituierenden
Sitzung war umstritten, ob sie in der vorgegebenen Reihenfolge behandelt
werden sollen oder nicht.
Diese Frage ist wichtig, denn der Ausschuß steht unter Zeitdruck:
In wenigen Wochen ist Sommerpause, und das Gremium muß oder sollte
zumindest bis zur Abgeordnetenhauswahl am 10. Oktober die politischen Hauptfragen
behandelt haben. Laut Wieland will der Ausschuß den ersten Fragenkomplex
bis zum Beginn der Sommerpause zu beantworten versuchen, damit er dann
einen Zwischenbericht erstellen kann, der im September dem Parlament vorlegt
werden könnte. In Oppositionskreisen wird vermutet, daß die
drei CDU-Vertreter die Fragen so anordnen wollen, daß die Punkte
zu möglichen Fehlern Werthebachs wegen Zeitverzugs erst gar nicht
mehr erörtert werden können.
Der Sprecher der CDU-Vertreter im Gremium, Andreas Gram, betonte, seine
Partei halte es für sinnvoller, zuerst alle wichtigen Akten zu studieren,
ehe die Befragung der Zeugen, „Einvernahme“ genannt, beginnt. Nach Informationen
Wielands gab es bei der konstituierenden Sitzung auch darüber Meinungsverschiedenheiten.
Die Mehrheit habe sich dann mit ihrer Ansicht durchgesetzt, zumindest Werthebach
schon vor dem Studium aller Akten zu befragen. Der CDU liegt vor allem
daran zu ermitteln, welche Informationen zur PKK bei Ausbruch der Gewalt
vorlagen. Sie ist eher daran interessiert, Verantwortung für die Sicherheitsversäumnisse
auf die rot-grüne Bundesregierung abzuwälzen. Nach Wieland gibt
es „umfangreiche“ Wünsche im Ausschuß, auch Mitglieder der Bundesregierung
zu hören. Diese gingen „in Richtung“ von Zeugenaussagen der Bundesminister
für Inneres und Auswärtiges, Otto Schily (SPD) und Joschka Fischer
(Bündnisgrüne).
Eine Befragung der israelischen Sicherheitsbeamten ist dagegen unwahrscheinlich,
weil das Geschehen in und vor dem Generalkonsulat erst behandelt werden
soll, wenn der erste Fragenkomplex abgeschlossen wurde. Das aber, davon
geht jeder aus, kann dauern.
Philipp Gessler