Türkei-Tourismus
Schwere Krise
An der türkischen Riviera stehen zu Beginn der Saison die Betten
leer. Insbesondere auf die Türkei spezialisierte Reiseveranstalter
stecken in der Krise. Zwar hat es noch keine Terrorakte an der Mittelmeerküste
gegeben, doch werden mit banger Erwartung die Vorbereitungen und der Beginn
des Prozesses gegen den PKK-Führer Öcalan am 31. Mai beobachtet.
In einer Eilaktion wurden von den kleineren Reiseveranstaltern Ende
April 13 deutsche Journalisten zur Vorort-Besichtigung gebeten. Parallel
dazu hatte der Großunternehmer im türkischen Reisegeschäft,
Öger Tours, zu seiner eigenen Pressekonferenz 50 Journalisten nach
Antalya geflogen. Als Willkommen-Souvenirs gab es das türkische „Blaue
Auge“ - gegen den bösen Blick. Der gläserne Talisman konnte aber
nicht darüber hinwegsehen lassen, daß es mit dem Tourismus in
der Türkei schlecht steht.
Mit der Verhaftung des PKK-Führers Öcalan und den Kurden-Krawallen
in deutschen Städten brach Mitte März eine nie gekannte Stornierungswelle
über das türkische Reisegeschäft herein. Die Ankündigung
der PKK, bei Verhängung der Todesstrafe über ihren Parteiführer
Terroraktionen gegen ausländische Besucher in der Türkei zu starten,
hat dem Tourismus schwere Einbußen beschert.
Nach Auskunft der deutschen Reiseveranstalter UFO-Reisen, Pegasus,
TürkTur, Maxi, Öztürk-Reisen und Holiday Weltweit und der
türkischen Anbieter Firat Turizm, Sieera Tours sowie des privaten
Carriers Istanbul Airlines stornierten seit den Terrordrohungen bis zu
80 Prozent ihrer Türkeitouristen oder haben auf andere Ziele umgebucht.
Das bedeutet für die meistbesuchte Urlaubsregion Antalya Kemer, Belek
und Side zur Zeit ein Ausbleiben von mehr als der Hälfte aller Gäste.
Die Direktorin des Tourismus-Ministeriums in Antalya, Ayse Fevzioglu,
weiß, daß von den 150.000 Beschäftigten in der Gastronomie
jetzt 30.000 arbeitslos oder im unbezahlten Urlaub sind. Der rasch gebildete
Krisenstab hege gedämpften Optimismus.
Mit 4.000 Polizisten und der gleichen Anzahl an Gendarmerie, so Polizeichef
Natik Canca, habe die Eineinhalbmillionenstadt und die Region „ein gutes
Sicherheitsnetz“. Auch wenn seine Leute derzeit nicht im Straßenbild
demonstrativ präsent wären, so seien sie im Hintergrund, etwa
als Eisverkäufer oder Taxifahrer aktiv.
Die offiziellen Stellen in der Türkei verurteilen die Drohungen
der PKK als wirkungsvolle Propaganda und werden andererseits nicht müde
zu betonen, daß die türkischen Kurden in ihrer Mehrzahl friedlich
integriert seien. So seien angstmachende Berichte in den deutschen Medien
Wasser nur auf die Mühlen der PKK im Ausland. Daß es mit dem
Öcalan-Prozeß eventuell zu Aktionen in der Türkei komme,
wollte Polizeichef Canca nicht ausschließen.
Helmut Haensch