Ilisu: Protest von Syrien und Jordanien
Von Jan Keetman, Istanbul
Das umstrittene Projekt eines Staudammes bei Ilisu am Tigris hat zu
internationalen Spannungen geführt. Ende letzte Woche protestierten
Syrien und Jordanien beim britischen Aussenministerium gegen die Beteiligung
der britischen Firma Balfour Beattie am Bau des Staudammes. Jordanien protestierte
gegen das türkische Staudammprojekt im Namen des Irak, der zur Zeit
keine diplomatischen Beziehungen mit Grossbritannien hat.
Mit dem Bau des Staudammes ohne vorherige Konsultationen verstosse
die Türkei direkt gegen einen 1946 mit dem Irak geschlossenen Vertrag,
heisst es in der Erklärung Jordaniens.
Ausserdem wird ausgeführt, dass der von der Türkei nach Syrien
und dem Irak fliessende Strom wegen der mit dem Staudammprojekt verbundenen
Bewässerungsprojekte mit «Agrochemikalien und Pestiziden»
verunreinigt werde. «Millionen Iraker werden ihres Rechtes auf klares
Wasser beraubt.» Kriegsgefahr
Unterstützung erhielten die arabischen Diplomaten vom UK Defence
Forum, einer Beratergruppe, welche die Regierung in internationalen strategischen
Problemen berät. Das Forum warnte davor, dass der Bau des Staudammes
zu einem Krieg Syriens und des Irak gegen die Türkei führen könne,
in dem dann die Nato, also auch Grossbritannien, gezwungen wären auf
türkischer Seite einzugreifen.
Das Projekt, an dem auch die Sulzer Hydro AG und ABB sowie die UBS
beteiligt sind, wird auch von Schweizer Hilfswerken heftig kritisiert.
Im Vordergrund dieser Kritik steht die Überflutung von 52 Dörfern
und 15 Kleinstädten, darunter des kulturgeschichtlich einzigartigen
Ortes Hasankeyf.
Vielfach wird auch darauf hingewiesen, dass die Weltbank sich 1984
aus der Finanzierung der türkischen Staudammprojekte im Südosten
des Landes bei Beginn der unter dem Oberbegriff «Südostanatolienprojekt»
(GAP) geführten Projekte zurückgezogen hat.
Zeitplan in Frage gestellt
Von den 33 Mrd. Dollar zum Bau von 22 Staudämmen, 19 Kraftwerken
und zahlreichen weiteren Vorhaben wie Bewässerung und Infrastruktur
sind erst 13,2 Mrd. Dollar ausgegeben worden, so dass der geplante Abschluss
im Jahr 2010 fraglich ist. Dass die Energie-Projekte im Rahmen von GAP
zu 60% fertiggestellt sind, hat zu keiner spürbaren Verbesserung der
durch häufige Ausfälle geprägten Stromversorgung in der
Türkei geführt.
Dies ist kein Wunder, denn nach Schätzung der Kammer der türkischen
Elektroingenieure gehen 30% der Energie in dem veralteten türkischen
Stromnetz verloren, während der internationale Standard bei 6 bis
6,5% liege. Besonders hoch sind die Verluste bei dem mit GAP erzeugten
Strom, da er zum grössten Teil über weite Entfernungen nach Westen
geleitet wird. Aber auch in Nachbarregionen von GAP wie in Diyarbakir sind
auf Grund des veralteten Netzes Stromausfälle häufig.
Syrien unterstützt PKK
Einen direkten Zusammenhang gibt es auch zwischen dem türkischen
GAP-Projekt und der Unterstützung der PKK durch Staaten der Region.
Es ist auffallend, dass die PKK ihren bewaffneten Kampf 1984 beginnen konnte,
in dem gleichen Jahr in dem die Türkei mit der Realisierung von GAP
begann. Syrien, dessen Wasser und Stromversorgung durch GAP beeinträchtigt
wird, war lange Zeit der Hauptunterstützer der PKK. Nachdem im vergangenen
Herbst die Türkei Syrien durch eine Kriegsdrohung dazu veranlasste,
den PKK-Führer Abdullah Öcalan zur Ausreise zu zwingen, ist die
syrische Unterstützung der PKK so gut wie abgeschnitten. Die
Türkei beschuldigt nun Iran und den irakischen Kurdenführer Djelal
Talabani, in die Bresche gesprun- gen zu sein. Das Festhalten an GAP könnte
nun Syrien und auch den Irak dazu bewegen, die PKK erneut als Waffe gegen
den Nachbarn im Norden einzusetzen.