Hamburger Morgenpost 20.5.99

"Geheimpapier"
Abschiebung Die miese Masche der Behörden

Jetzt kracht es richtig in der rot-grünen Koalition:
In einem vertraulichen Schreiben fordert die Innenbehörde eine härtere Gangart gegen abzuschiebende Ausländer. Kommentar der GAL:
"Das ist koalitionsschädigend!"
Ziel der Innenbehörde: schnellere Abschiebung von "ausreisepflichtigen Ausländern". Familien sollen künftig vermehrt getrennt in ihre Heimat gebracht werden.
"Einzelfälle haben gezeigt, daß anläßlich der getrennten Abschiebung die Bereitschaft zur Ausreise beim anderen Teil der Familie erheblich steigt", so die Innenbehörde.
Ärztliche Atteste werden in dem Papier als "Gefälligkeitsgutachten ... einzig zum Zweck der Abschiebungsverhinderung" bezeichnet. Der Neurologe Dr. Klaus E. Weber wehrt sich gegen diesen Pauschalvorwurf. "Wir attestieren nach bestem Wissen und Gewissen. Mit dieser Anschuldigung werden sämtliche Amtsärzte diskreditiert."
In Zukunft sollen zwei Ärzte, die beim städtischen Träger "pflegen & wohnen" nicht mehr benötigt werden, die Atteste prüfen - im Auftrag des Einwohnermeldeamtes. Das wurde bislang von Amtsärzten gemacht.
Rechtsanwältin Sigrid Töpfer: "Die Vorlage ist eine politische Aufforderung zum Rechtsbruch." Pia Peddinghaus von der "Sozialpolitischen Opposition:
"Das Vorgehen ist politisch-moralisch zu verurteilen und juristisch nicht haltbar."
Die GAL lehnt das Papier der Innenbehörde kategorisch ab. Fraktionschefin Antje Möller: "Das Papier ist keine Gesprächsgrundlage für uns." Ein für heute geplantes Koalitionsgespräch über die Neustrukturierung der Ausländerbehörde hat die GAL aus Protest abgesagt.  "Bevor wir reden, muß erst mal ein neues Papier her."
Innensenator Hartmuth Wrocklage versteht die Kritik nicht. "Abschiebungen finden in Hamburg im rechtsstaatlichen Rahmen statt, stehen eindeutig in Einklang mit den Koalitionsvereinbarungen zwischen GAL und SPD."
Für Antje Möller enthält das Arbeitspapier jedoch "koalitionsschädliche Ansätze". Keine guten Zeiten für die von fünf Austritten schwer gebeutelte Regierungskoalition.
Christoph Hülskötter