Oschatz: Pfarrer gibt Kurdenjungen Asyl in der Kirche
Abschiebung soll verhindert werden
Oschatz. Der katholische Pfarrer Peter Müller hat in der Nacht
zu gestern Mehmet Demir in seiner Kirche Asyl gewährt. Der 17jährige
Kurde sollte kurz nach Mitternacht in seine Heimat abgeschoben werden,
da sein Asylantrag am 19. April abgelehnt wurde. Pfarrer Müller will
dem jungen Mann jedoch solange Zuflucht gewähren, bis über seine
Klage gegen die Asyl-Ablehnung entschieden ist. Im Kreis Torgau-Oschatz
wird damit zum ersten Mal Kirchenasyl gewährt. Die Familie von Mehmet
wurde bereits am 18. Februar in die Türkei abgeschoben. Der 17jährige
war zu diesem Zeitpunkt bei Freunden in Döbeln und erfuhr erst später
von der Abschiebung. Zuerst wollte er seinen Eltern folgen, doch dann erfuhr
er:"Mein Vater wurde von der türkischen Polizei in Istanbul brutal
zusammengeschlagen, und seine gesamten Ersparnisse wurden ihm abgenommen."
Aus Angst vor der türkischen Polizei stellte Mehmet schließlich
selbst einen Asylantrag. "Nur in Deutschland kann ich mich sicher
und geborgen fühlen", begründete er. Der Asylantrag wurde am
19. April vom Bundesamt abgelehnt. Von einer Klage gegen diesen Bescheid
ist der Zentralen Ausländerbehörde in Chemnitz allerdings nichts
bekannt. "Auch wenn es diese Klage geben würde, hätte sie aus
rechtlicher Sicht keine aufschiebende Wirkung", sagte Joachim Eckert, Sprecher
des zuständigen Regierungspräsidiums (RP) Chemnitz.
Für Pfarrer Müller steht indes fest: "Solange die Klage nicht
abgelehnt ist, wird die Kirche Mehmet Unterschlupf bieten." Das könnte
auf ein längeres Kräftemessen zwischen Kirche und Staat hinauslaufen.
"Der Junge wird zwar nicht aus der Kirche herausgeholt, er verliert aber
sämtliche Leistungsansprüche wie Sozialhilfe. Er muß auf
private Kosten des Pfarrers oder auf Kirchenkosten versorgt werden", sagte
RP-Sprecher Eckert. Was passiert, wenn Mehmet die Kirche verläßt?
"Sobald er sich im öffentlichen Raum befindet, wird er abgeschoben",
so Eckert. Der Duisburger Rechtsanwalt Hans-P. Bemb, der Mehmet vertritt,
kann nicht nachvollziehen, warum die Ausländerbehörde seine Klage
vom 6. Mai gegen die Asyl-Ablehnung noch nicht auf dem Tisch hat. Für
Bemb stand gestern fest: "Ich werde einen Vollstreckungsschutzantrag beim
Verwaltungsgericht Leipzig einreichen." Mehmet soll dadurch vor der Abschiebung
geschützt werden. Ob diesem Antrag stattgegeben wird, muß abgewartet
werden. Der Fall Nehmet wird auch von der Ordnungsamtsleiterin der Kreisbehörde
Torgau-Oschatz, die für Ausländerfragen zuständig ist, mit
Spannung verfolgt. "Bisher hatten wir im Kreis Torgau-Oschatz noch keinen
Fall von Kirchenasyl", sagte Jutta Pfennig.
Frank Hörügel