Öcalan-Anwalt: Keine unabhängige Justiz
"Nach diesen Todesurteilen ist klar, daß Öcalan nicht auf
ein milderes Urteil hoffen kann", meint Hans-Eberhard Schultz.
"Dabei haben die ja noch alles auf ihre Vorgesetzten geschoben." Der
Bremer Rechtsanwalt ist der deutsche Verteidiger des inhaftierten PKK-Chefs
- einer von mehr als 100 Anwälten, die für Öcalan weltweit
tätig sind. Schon 1990 hat Schultz den Kurdenführer in Libyen
persönlich kennengelernt, seither mehrere PKK-Aktivisten vor deutschen
Gerichten vertreten. Seinen Mandanten Öcalan hat er zuletzt im Januar
in Rom gesehen. Vergeblich hat der Anwalt immer wieder beantragt, Öcalan
auf der Gefängnisinsel Imrali besuchen zu können.
"Wenn einer von drei Richtern vom Militär gestellt wird, kann
von unabhängiger Justiz nicht die Rede sein", sagt Schultz.
Öcalan bisher zudem kein unüberwachtes Gespräch mit
seinen Verteidigern führen können. Mehr als bedenklich ist aus
Sicht von Schulz auch die öffentliche Vorverurteilung. Als "Babykiller"
sei Öcalan von offizieller Seite bezeichnet worden.
Dabei habe sich der PKK-Chef um eine friedliche Lösungen bemüht,
schon 1993 keinen eigenständigen Kurdenstaat mehr gefordert, dreimal
einen einseitigen Waffenstillstand verkündet. "Die PKK", sagt Anwalt
Schultz, greift heute nur zu den Waffen, wenn sie angegriffen wird." Ein
Todesurteil gegen Öcalan werde dagegen eine Eskalation nach sich ziehen.
"Dann besteht die Gefahr, daß jene jugendlichen Hitzköpfe unter
den Kurden die Oberhand gewinnen, die immer schon den Friedenskurs Öcalans
abgelehnt haben."
Th., Bremen