Liste der verpönten Worte als «Hilfe» für Journalisten
Türkische Medien haben von den Behörden eine Liste mit
Worten erhalten, deren Verwendung man besser vermeide.
*Jan Keetman, Istanbul
Das zum türkischen Innenministerium gehörige «Amt für
Beziehungen zur Bevölkerung» hat an verschiedene Medien, darunter
das staatliche Fernsehen TRT und die Nachrichtenagentur Anadolu, eine Liste
von Worten verteilt, deren «Gebrauch bedenklich» sei. Diese
Begriffe «können in der Zukunft der Grund für Diskussionen
und Missbrauch sein», heisst es im Rundschreiben vom 26. April, das
die Zeitung Milliyet gestern veröffentlichte.
Terrorist statt Rebell
Wohl um Redakteuren und Sprechern ihre verantwortungsvolle Arbeit zu
erleichtern, wird auch gesagt, was anstelle der falschen Begriffe besser
zu sagen wäre. So soll statt den Worten «Guerilla, Rebell»
einer der Begriffe «Terrorist, terroristische Elemente, Bandit»
gebraucht werden. Mit Blick über oder an die Grenze soll nicht mehr
von «Flüchtlingen», sondern von «Nordirakern, Asylanten»
die Rede sein. Es gebe keinen «kurdischen Aufstand» oder «kurdischen
nationalen Befreiungskampf» sondern nur «terroristische Aktionen».
Auch bereits einmal polierte Worte erhalten ihre Nachpolitur. So ist
nicht mehr von der «Bevölkerung des Südostens» zu
sprechen, sondern in dieser vor allem von Kurden bewohnten Region leben
«unsere Landsleute im Osten der Türkei». Macht «Apo»,
das heisst der «Terrorist Öcalan», in seiner Verteidigung
einen «Friedensaufruf», so braucht sich der Redakteur nicht
mehr hinzusetzen und einen Kommentar dazu zu schreiben, denn mit «vorübergehender
Unterbrechung der terroristischen Aktionen» ist alles gesagt.
Über Sanktionen bei fehlerhaftem Gebrauch der Begriffe enthält
das Rundschreiben offenbar nichts. Türkischen Kollegen braucht man
über die möglichen Folgen solcher «Fehler» auch nichts
zu sagen. Nach einem Bericht der Organisation «Journalistes sans
frontières» waren 1998 94 türkische Journalisten und
Autoren im Gefängnis. Treffen kann es durchaus nicht nur Aussenseiter.
Folgen der Fehler
Am Dienstag wurde der Journalist Oral Calislar von der renommierten
und keineswegs prokurdischen Zeitung Cumhüriyet vom Staatssicherheitsgericht
in Istanbul zu dreizehn Monaten Gefängnis verurteilt, weil er seine
bereits veröffentlichten Interviews mit Öcalan und dem im Exil
befindlichen kurdischen Politiker Kemal Burkay in einem Buch nochmals veröffentlichte.
Vor einem Jahr genügte der Anruf eines Offiziers, um die fristlose
Entlassung von Mehmet Ali Birand, eines der bekanntesten Journalisten der
Türkei, zu erreichen. Einige Tage darauf stellte sich heraus, dass
die Anschuldigungen gegen den kritischen Journalisten jeder Grundlage entbehrten.