Waffen & Militär
Das "Studienzentrum Türkei" (SOT) in Amsterdam hat Ende April
wieder seine Zusammenstellung über Waffengeschäfte und diplomatische
u.a. Aktivitäten der türkischen Militärs veröffentlicht.
Hier eine Übersetzung der wichtigsten Meldungen.
*
US-Kongreß bewilligt Hubschraubergeschäft
Nach einem Bericht von "Janes Defence Weekly" (London, 7.4.99) hart
der US-Kongreß den Verkauf von 4 Sea Hawk-Militärhubschraubern
sowie dazugehöriger Raketen bewilligt. Bei den Raketen handelt es
sich um AGM-114-"Höllenfeuer"-Raketen der US-Firma Hellfire Ltd. Die
lasergelenkten Anti-Schiffsraketen haben eine kurze Reichweite, die Türkei
soll insgesamt 84 dieser lasergesteuerten Raketen, das gesamte Geschäft
hat für die Türkei einen Preis von 6,7 Milliarden Dollar.
*
Türkische Truppen nach Albanien
Am 8. April berichteten türkische Zeitungen (u.a. Milliyet), die
Türkei werde sich mit der Entsendung von 250 bis 500 Soldaten am Aufbau
eines NATO-Kommandozentrums in Albanien beteiligen.
*
Deutsches Militärgeschäft
Ein deutsches Konsortium, angeführt von der Abeking-Rasmussen-Lürssen-Werft,
hat nach einem Bericht der französischen Nachrichtenagentur AFP (9.4.99)
einen türkischen Marineauftrag erhalten. Das Konsortium soll für
die türkische Marine sechs Minensucher bauen, fünf davon sollen
faktisch in Lizenz auf türkischen Werften endgefertigt werden. Der
Auftragswert soll sich laut AFP auf 630 Millionen Dollar belaufen.
*
Türkisch-Koreanisches Atomabkommen
Am 12. April hat der türkische Ministerrat ein Abkommen zwischen
der Türkei und Südkorea über "die friedliche Nutzung der
Atomenergie" gebilligt. Das meldete die türkische Nachrichtenagentur
Anadolu. Das Abkommen, das bereits am 26. Oktober letzten Jahres unterzeichnet
worden war, sieht den Bau von Atomkraftwerken und von Forschungsreaktoren
sowie die Zusammenarbeit technischer und wissenschaftlicher Fachkräfte
beider Staaten vor. Bereits vor einiger Zeit waren im Zusammenhang mit
einer verstärkten türkisch-pakistanischen Militärzusammenarbeit
Besorgnisse über eine mögliche Nuklearrüstung der Türkei
geäußert worden. (Anadolu, 12.44.99)
*
Türkei drängt in "Balkan-Kontaktgruppe"
Nach einem Bericht der französischen Nachrichtenagentur AFP hat
der türkische Außenminister Ismail Cem auf einem NATO-Treffen
am 12. April in Brüssel diese türkische Bitte förmlich vorgebracht.
Die "Kontaktgruppe" besteht bisher aus Großbritannien, Frankreich,
Deutschland, Italien, Rußland und den USA. Die Türkei "leiste
einen aktiven Beitrag" auf dem Balkan, so Ismail Cem zur Begründung
der türkischen Forderung, und dürfe deshalb nicht länger
außerhalb der Kontaktgruppe agieren. Die Türkei war neben Österreich-Ungarn
bis Ende des letzten Jahrhunderts Kolonialmacht auf dem Balkan und will
offenbar im Gefolge der NATO-Militärinterventionen auf dem Balkan
an dieser alten Rolle wieder anknüpfen.
Eine Woche nach diesem türkischen Antrag berichtete die "Milliyet",
ohnehin ein den Militärs sehr nahestehendes Blatt, stolz, die türkische
Flagge wehe wieder in der Adria. Im Hafen von Bari habe der türkische
Zerstörer Kocatepe die Aufgaben des Zerstörers Muavenet übernommen.
Die türkischen Kriegsschiffe seien Teil der aus Kriegsschiffen von
acht NATO-Staaten gebildeten Marineeinheit "Stanavformed", die zur "Abschreckung"
in der Adria patrouilliere und von US-Admiral David Stone befehligt werde.
Am 26. April ergänze Anadolu, türkische F-16-Kampfflugzeuge,
die in der Luftwaffenbasis Ghedi in Italien stationiert sind, hätten
bis dahin bereits 875 Stunden Angriffsflüge gegen Jugoslawien mitgeflogen.
(AFP, 15.4.99, Milliyet, 19.4.99, Anadolu, 26.4.99)
*
Polizeimesse in Ankara
Vom 24. bis 27. Juni wird in der türkischen Hauptstadt Ankara
die "Internationale Messe für Polizei-Sicherheit und -Technologie
Polex 99" stattfinden. Das berichtete am 22. April die türkische Nachrichtenagentur
Anadolu. "Viele hochrangige Beamte und Vertreter von Firmen aus 20 Ländern"
würden an der Messe teilnehmen, die alle zwei Jahre stattfindet und
in diesem Jahr in der Polizeihochschule von Ankara stattfindet. Der türkische
Innenminister Necati Bilican: Die Messe erlaube der türkischen Polizei,
"von neuen Technologien zu profitieren". (Anadolu, 22.4.99)
*
Europäische Luftwaffenchefs in Ankara
Vom 26. bis 29. April hielten sich die Chefs von 17 europäischen
Luftwaffen zu einem "Freundschaftsbesuch" in Ankara auf. Gastgeber war
der türkische General Ilhan Kilic. Das Treffen mit Namen EURAC findet
angeblich zwei Mal in jedem Jahr statt, zu den Teilnehmern gehören
die Luftwaffenchefs von Griechenland, Italien, Spanien, Großbritannien,
Frankreich und sieben weitere NATO-Staaten.
*
NATO-Durchflugrechte mit türkischer Hilfe
Die Erlaubnis der bulgarischen Regierung und des bulgarischen Parlaments
an die NATO, den Luftraum über Bulgarien für Angriffsflüge
gegen Jugoslawien nutzen zu dürfen, gehe auch auf intensiven türkischen
Druck zurück, berichteten am 22. April türkische Zeitungen, darunter
die "Hürriyet". Die USA hätten als erste diese Durchflugrechte
verlangt. Die bulgarische Regierung habe aber Schwierigkeiten bei der Bewilligung
gehabt. Erst türkischer Druck auf die sogenannte "türkische Partei"
im bulgarischen Parlament habe der Regierung in Sofia zu der notwendigen
parlamentarischen Mehrheit für die Bewilligung der NATO-Angriffsflüge
durch bulgarischen Luftraum verschafft, so "Hürriyet". Die bulgarische
sozialistische Partei habe sich dem Antrag vergeblich widersetzt. Nun könnten
auch türkische F-16-Kampfflugzeuge den bulgarischen Luftraum durchqueren,
so "Hürriyet" stolz.
*
Marinemanöver
Einheiten der türkischen Marine und ein Beobachtungsschiff der
Marine Pakistans haben Ende April bis Anfang Mai im Marmara Meer und im
Schwarzen Meer umfangreiche Seemanöver abgehalten. An den Manövern
nahmen nach türkischen Presseberichten Kampfflugzeuge und Kampfbomber,
eine Amphibienbrigade, zwei Fregatten, ein Zerstörer, fünf Patrouillenschiffe,
19 Kampfboote, zwei Küstenlandungsschiffe, fünf Minensucher,
ein U-Boot, ein Helikopter und fünf Hilfsschiffe teil. Die Manöver
begannen am 19. April in der Marmara See und dauerten dann im Schwarzen
Meer bis 3. Mai. Während der Manöver besuchte die türkische
Flotte auch Häfen in Bulgarien, Rumänien und Georgien.
Beobachter aus Aserbeidschan, Rumänien, Bulgarien und Pakistan nahmen
auch an den Manövern teil. (Anadolu, 23.4.99)
*
Rüstungsmesse in Ankara
Vom 28. September bis 1. Oktober dieses Jahres wird in der türkischen
Hauptstadt Ankara eine große Rüstungsmesse stattfinden, die
IDEF (Internationale Messe für Rüstungsindustrie, Weltraum, Luftfahrt
und Navigation. Die Messe findet auf der Luftwaffenbasis Turkkusu im Distrikt
Etimesgut statt. (Anadolu, 27.4.99)
Zusammenstellung: rül. Quelle: Study Centre on Turkey (SOT, P.O.
Box 94802, 1090 GV Amsterdam, The Netherlands, Tel. +31-20-4284061, Fax
+31-20-4284062.
*
Kampfhubschraubergeschäft: Expertenbesuche
Nach einem Bericht der "Turkish Daily News" vom 29.4. gehen die Bewerbungs-
und Auswahlverfahren für den von türkischen Militärs geplanten
Kauf von 145 modernsten Kampfhubschraubern für den Kampf gegen die
kurdische Guerilla weiter. In den nächsten Wochen und Monaten, so
der Bericht, würden türkische "Experten", also wohl Militärs,
alle an dem Geschäft interessierten Firmen - darunter auch die deutsch-französische
Eurocopter-Gruppe - besuchen, um den Kampfwert der angebotenen Hubschrauber
und Finanzierungs- und Technologiefragen zu klären. Mit einer ersten
Gesamtbeurteilung der vorliegenden Angebote durch die türkischen Militärs
werde bis November diesen Jahres gerechnet, so TDN. Nach Berichten aus
den beteiligten Firmen sei dann mit der förmlichen Auftragserteilung
bis etwa Mitte des kommenden Jahres zu rechnen. Der Beschluß der
türkischen Militärs zum Kauf der Kampfhubschrauber war Mitte
1996 gefallen. (rül, Quelle:
TDN 29.4.99)
*
Deutsche Waffenexporte und kein Ende ...
Auch Rot-Grün ist gegen ein Waffenexportverbot in die TR
Mit einer kleinen Anfrage hatte die PDS-Abgeordnete Ulla Jelpke vor
einigen Wochen die Bundesregierung gefragt, welche Konsequenzen sie aus
den neuerlichen Beobachtungen über den Einsatz deutscher Waffen gegen
die kurdische Bevölkerung (u.a. des "Rüstungsinformationsbüros
Baden-Württemberg e.V.", RIB) für die Handhabung von Waffenexporten
in die Türkei ziehe. Am 4. Mai hat die Bundesregierung geantwortet
- lapidar und lakonisch, wie schon ihre Vorgängerregierungen.
Auf die Frage der Abgeordneten, ob der Regierung die neuen Berichte
vorliegen, antwortete diese lakonisch: "Die Wiedergabe des telefonisch
übermittelten 'Augenzeugenberichts' durch das 'Rüstungsinformationsbüro
Baden-Württemberg e.V.' liegt der Bundesregierung vor. Auch der angeführte
Artikel in der Zeitung 'Neues Deutschland' vom 24.3.1999 ist bekannt."
Irgendwelche Schlußfolgerungen daraus aber zieht die Regierung
nicht. Statt dessen heißt es, die türkische Regierung
habe "wiederholt zugesichert, daß sie das ihr gelieferte material
vertragsgemäß einsetzt." Im übrigen: "Die Bundesregierung
wird jedem Hinweis auf nicht vertragsgemäßen Einsatz des gelieferten
Materials konsequent nachgehen."
Auf die Frage, welche Lagebeurteilung der Zustimmung des Bundessicherheitsrates
zur Lieferung neuer U-Boote an die Türkei zugrunde gelegen habe, kommt
als Antwort: "Die Sitzungen des Bundessicherheitsrates sind grundsätzlich
geheim", auf die Frage, ob damit nicht die Spannungen zwischen der Türkei
und Griechenland und Zypern weiter vertieft werden könnten, ebenso
lakonisch: "Nein".
Irgendwelche praktischen, konkreten Konsequenzen aus früheren
Berichten über den Einsatz von aus der BRD gelieferten Waffen gegen
die kurdische Bevölkerung will auch die rot-grüne Regierung nicht
ziehen. Auf die entsprechende Frage antwortete sie der PDS-Abgeordneten
überhaupt nicht, sondern zitiert weitschweifig ihre Koalitionsvereinbarungen
vom vergangenen Oktober zu Waffenexporten. Berichte selbst von grünen
Bundestagsabgeordneten wie Claudia Roth, Angelika Beer u.a. im Bundestag
über den Einsatz deutscher Waffen werden als unerheblich abgetan,
es sei nicht Aufgabe der Bundesregierung, "Äußerungen einzelner
Abgeordneter im Nachhinein zu bewerten", heißt es auf entsprechende
Fragen der PDS-Abgeordneten. Als ginge es hier um eine "Kommentierung"
solcher Äußerungen, wo es doch in Wirklichkeit um praktische
Konsequenzen aus all diesen Berichten geht!
Neue Waffenlieferungen sind ganz offenbar in Vorbereitungen, jedenfalls
bestätigt die Bundesregierung, dass es eine "Voranfrage" betr. neue
Waffenlieferungen an die Türkei aus der Rüstungsindustrie beim
Bundessicherheitsrat bereits gibt.
Auf alle Fragen, ob Bonn nun endlich einen Exportstopp für deutsche
Waffen in die Türkei verhängen wolle, redet sich die Bundesregierung
mit nichtssagenden und folgenlosen Hinweisen auf die Koalitionsvereinbarung
hinaus.
Nur in einem einzigen Punkt unterscheidet sich die zynische Antwort
der rot-grünen Regierung auf die neuerlichen Anfrage von den Antworten
der schwarz-gelben Vorgängerregierung. Diese hatte vor Jahren nach
der Ermordung des kurdischen Hirten Mesut Dündar, der von türkischen
Militärs an einen NVA-Panzer gebunden und zu Tode geschleift worden
war, noch "Verständnis" für diese Art der "Terrorismusbekämpfung"
geäußert. Dieses Verständnis mag die neue rot-grüne
Regierung in Bonn nun nicht mehr aufbringen. Mesut Dündar wird dadurch
nicht mehr zum Leben erweckt, im Gegenteil, da auch die neue rot-grüne
Regierung offenbar die Waffenexporte fortsetzen will, ist zu befürchten,
daß ihm noch viele weitere kurdische Opfer folgen werden - wie er
am Ende gemordet mit Hilfe deutscher Waffen.
(rül, Quelle: Antwort von Staatsminister Ludger Volmer, Auswärtiges
Amt, vom 4.5.99, Drucksache 14/958)